Nach Sturz der Regierung Bulgarien setzt Übergangsregierung ein
In Bulgarien hat Staatspräsident Radew eine Übergangsregierung aus Experten eingesetzt. Diese soll das Land bis zur Wahl einer neuen regulären Regierung im Oktober führen - mit klaren Aufträgen.
Nach dem Sturz der prowestlichen Regierung in Bulgarien Ende Juni hat Staatspräsident Rumen Radew ein Übergangskabinett aus Experten eingesetzt. Sie soll das EU-Land bis zur Bildung einer regulären Regierung führen.
Die liberal-sozialistische Koalition von Regierungschef Kiril Petkow war nach nur gut einem halben Jahr durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden. Drei Anläufe zur Bildung einer neuen Regierung ohne Neuwahl schlugen danach fehl. Tausende Menschen gingen in Bulgarien auf die Straße.
Vorgezogene Parlamentswahl
Staatschef Radew setzte nun nicht nur ein Kabinett aus Experten ein - er löste nach weniger als einem Jahr auch das Parlament auf. Ein neues sollen die Bürgerinnen und Bürger in Bulgarien dann bei einer vorgezogenen Parlamentswahl am 2. Oktober wählen. Damit gibt es in Bulgarien seit April 2021 zum vierten Mal eine neue Volksversammlung.
"Im Herbst müssen wir Bulgaren klug abstimmen, um eine stabile und verantwortungsbewusste Parlamentsmehrheit zu wählen", so Radew. Ich glaube, dass die nationale Einheit die Entscheidung ist, die Politiker und Bürger treffen müssen, und der wir in diesen schwierigen Zeiten für Europa und Bulgarien standhaft folgen müssen."
Der Ausgang der Wahl scheint derzeit offen. Jüngsten Umfragen zufolge liegt die Partei des gestürzten Petkow gleichauf mit der rechtsnationalen GERB-Partei des früheren Regierungschefs Boiko Borissow. Wegen der drastisch steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten können womöglich das nationalistische sowie das prorussische Lager mit Stimmenzuwächsen rechnen.
Übergangsregierung mit klarem Auftrag
Bis eine neue Regierung gewählt ist, ist nun Galeb Donew Übergangsregierungschef des ärmsten EU-Landes. Er war bereits mehrfach Sozialminister in Bulgarien. Donew gilt als Vertrauter von Staatspräsident Radew und Oberst a. D. Dimitar Stojanow, der nun übergangsmäßig Verteidigungsminister des NATO-Landes wurde. Neuer Außenminister wurde Bulgariens bisheriger Botschafter in Paris, Nikolaj Milkow.
Staatschef Radew nannte die Prioritäten des Übergangskabinetts: Sicherung der Energie- und Nahrungsmittelversorgung, die Bewältigung der "rasanten Inflation" sowie der Kampf gegen Korruption.
Auch Bulgarien erlebt drohende Gaskrise
Das von russischen Energieträgern stark abhängige EU-Land erhält auf direktem Weg kein Gas mehr aus Russland. Hintergrund ist, dass sich Ex-Ministerpräsident Petkow geweigert hatte, die Rechnung für das Gas in russischen Rubel zu bezahlen. Zusätzlich belastet wurden die Beziehungen des NATO-Landes zu Russland durch die Ausweisung von 70 Diplomaten und Mitarbeitern der russischen Botschaft wegen Spionageverdachts.
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg mahnte der als russlandfreundlich geltende Staatschef in Richtung der Übergangsregierung: "Ihre größte Herausforderung betrifft die Sicherheit. In unmittelbarer Nähe Bulgariens tobt ein Krieg. Die Spannungen auf dem Balkan nehmen wieder zu. Das Risiko, dass sich der Krieg auf neue Gebiete ausbreitet, ist real. Ihre erste Priorität sollte es sein, zu verhindern, dass unser Land in einen Konflikt hineingezogen wird."
Mit Informationen von Clemens Verenkotte, ARD-Studio Wien