Debatte über Brexit-Entwurf Mays schwieriger Start
Im britischen Unterhaus hat die Debatte über den Brexit-Entwurf begonnen. Für May wurde es schneller ungemütlich als gedacht: Schon bevor die Premierministerin das Wort ergriff, musste sie zwei Niederlagen einstecken.
Im britischen Unterhaus hat die Debatte über den Brexit-Entwurf begonnen. Für May wurde es schneller ungemütlich als gedacht: Schon bevor die Premierministerin das Wort ergriff, musste sie zwei Niederlagen einstecken.
Die Beratungen über das Brexit-Abkommen im britischen Unterhaus haben mit einer schweren Niederlage für die Regierung von Premierministerin Theresa May begonnen. Die Abgeordneten stimmten mit einer Mehrheit von 311 gegen 293 Stimmen für eine von der oppositionellen Labour-Partei eingebrachte Vorlage, die der Regierung eine Missachtung des Parlaments bescheinigt. Hintergrund ist ein Streit um die Vorlage eines internen Rechtsgutachtens der Regierung.
Trotzdem verteidigte May das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen zu Beginn der Debatte am Abend: "Das ist der Deal, der dem britischen Volk gerecht wird", sagte sie sichtlich angeschlagen.
Veröffentlichung angekündigt
Bei dem strittigen Gutachten handelt es sich um eine juristische Einschätzung des britischen Generalstaatsanwalts Geoffrey Cox zum Brexit-Abkommen. Cox hatte das Gutachten zunächst nur in Auszügen an das Parlament weitergeleitet. Er argumentierte, dass eine vollständige Vorlage "dem öffentlichen Interesse entgegen" stünde und Staatsgeheimnisse offenbaren würde.
Daraufhin hatten aufgebrachte Abgeordnete eine Debatte über Parlamentsmissachtung angesetzt. Kritiker des Abkommens vermuteten, dass ihnen wichtige Informationen über die rechtliche Bewertung des Deals vorenthalten werden sollten, bevor sie darüber abstimmen. Nach dem Votum der Abgeordneten kündigte ihre Regierung umgehend an, das Dokument am Mittwoch vollständig zu veröffentlichen. Der BBC zufolge ist es das erste Mal in der Geschichte des britischen Parlaments, dass die Regierung von den Abgeordneten wegen Missachtung abgemahnt wird.
Am 11. Dezember soll das Unterhaus über den Entwurf für das Brexit-Abkommen zwischen Großbritannien und der EU abstimmen. Ohnehin gilt es als unwahrscheinlich, dass May sich mit dem Deal durchsetzt. Nun scheint klar, dass sie sich nicht auf eine Mehrheit der Abgeordneten verlassen kann.
Änderungsanträge auch bei einer zweiten Abstimmung
Wie gering Mays Chancen sind, zeigte eine weitere Schlappe zum Auftakt der Beratungen. Noch bevor die Premierministerin ans Rednerpult trat, setzten die Parlamentarier eine Änderung der Debattenordnung durch: Sie sicherten sich das Recht, auch bei einer zweiten Abstimmung Änderungsanträge einzubringen, sollte das Abkommen zunächst durchfallen.
Medien hatten bereits spekuliert, May hoffe auf einen Erfolg in einem zweiten Wahlgang, bei dem die Abgeordneten keine Möglichkeit zu Änderungsanträgen haben würden. Mein Deal oder kein Deal, so laute die Devise der Regierungschefin. Doch die Parlamentarier machten ihr nun einen Strich durch die Rechnung.
Eigentlich hätte die Debatte über den Austrittsvertrag bereits am Mittag beginnen sollen. Fünf Tage sollen die Beratungen dauern. Sollte May ihren Deal für den EU-Austritt im Parlament nicht durchsetzten können, droht Großbritannien politisches Chaos. Sowohl ein Rücktritt Mays als auch eine Neuwahl oder ein zweites Referendum scheinen dann möglich.
Farage tritt aus Ukip aus
Unterdessen verkündete der Rechtspopulist Nigel Farage seinen Austritt aus der Ukip-Partei. "Schweren Herzens verlasse ich die Ukip", schrieb der EU-Abgeordnete in einem Gastbeitrag für den "Daily Telegraph". Er begründete den Schritt mit Unzufriedenheit über die Richtung, die Ukip in den vergangenen Monaten eingeschlagen habe. Die Partei öffne sich immer stärker extremistischen und rassistischen Kräften.
Farage, der die Partei 1993 mit gegründet hatte und mehrere Jahre führte, war einer der Hauptinitiatoren des Referendums über den Austritt Großbritanniens aus der EU. Nach dem erfolgreichen Brexit-Votum im Jahr 2016 gab er den Parteivorsitz ab. Seitdem steckt die Partei in der Krise. Bei der britischen Parlamentswahl im Juni 2017 verlor sie ihren einzigen Sitz im Unterhaus.
Brexit-Gegner erhoffen sich derweil Auftrieb durch ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Der dortige Generalanwalt vertritt die Auffassung, dass Großbritannien den in Brüssel eingereichten Antrag auf Austritt aus der EU einseitig wieder zurückziehen kann. Die politische Bedeutung dieser Rechtsfrage ist momentan eher theoretisch: Keine nennenswerte politische Kraft in Großbritannien plädiert dafür, den Brexit kurzerhand durch eine Rücknahme der Austrittserklärung abzuwenden. Die Debatte dreht sich vielmehr um die Frage, ob vor dem Vollzug des Austritts noch ein Referendum abgehalten werden soll.