Rechte Parteien und das EU-Referendum Cameron, der Getriebene
Polen, Österreich, Dänemark, die Niederlande, die Schweiz oder zuletzt in Frankreich: Rechte Parteien haben in Europa Zulauf. Auch die britische Cameron-Regierung steht unter Druck. Das Referendum über den EU-Verbleib des Landes soll den Auftstieg der Rechtspopulisten bremsen. Ein riskantes Spiel.
David Cameron will Großbritannien eigentlich in der Europäischen Union halten. Er findet die EU zwar nicht vollkommen, er ist auch nicht gerade ein glühender Befürworter der europäischen Integration, aber unterm Strich findet er, dass die EU Großbritannien mehr nützt als schadet. "An eines glaube ich ganz fest: Dass Großbritanniens nationalem Interesse am besten in einer flexiblen, anpassungsfähigen und offenen Union gedient ist, und dass eine solche Europäische Union am besten ist, wenn Großbritannien dazu gehört."
Deswegen hat sich Cameron nach seinem Amtsantritt als Premierminister lange gegen eine Volksabstimmung über die Mitgliedschaft der Briten gewehrt. Dreieinhalb Jahre hielt er diese Linie - dann gab er dem Druck der britischen Rechten nach.
Cameron will die Debatte mitgestalten und anführen
Am 23. Januar 2013 kündigte er in einer Rede in der Bloomberg-Zentrale in London ein Referendum über den Austritt oder den Verbleib seines Landes in der EU an: "Diejenigen, die eine Befragung des britischen Volkes ablehnen, erhöhen in meinen Augen sogar die Wahrscheinlichkeit, dass wir irgendwann austreten. Das ist der Grund, warum ich mich für ein Referendum stark mache." Er halte es für das Richtige, sich dieser Debatte zu stellen, sie mitzugestalten und anzuführen. Und nicht einfach zu hoffen, dass eine schwierige Situation von allein vorbeigehe.
Loyalität zum Parteichef? Bei den Tories unbekannt
Wieder einmal hatten die EU-Gegner in der konservativen Partei ihren Premierminister sturmreif geschossen: Edward Heath, John Major und sogar die "Eiserne Lady", Margaret Thatcher, hatten ähnliches erlebt. Der EU-kritische rechte Flügel der Tories kennt keine Loyalität zum eigenen Parteivorsitzenden und Regierungschef, dieser Flügel verfolgt seine eigene Agenda, und nimmt dabei sogar den Absturz in die Opposition in Kauf.
Cameron war außerdem von der United Kingdom Indepence Party, kurz UKIP, unter Druck geraten, deren vorrangiges Ziel der Austritt Großbritanniens aus der EU ist. Mit dem Referendum will der Premierminister auch den Aufstieg dieser Rechtspopulisten um Nigel Farage bremsen.
Camerons Angebot an die Briten: Er will eine Reform der EU aushandeln, die im Kern auf mehr nationale Selbstständigkeit und weniger europäische Integration hinausläuft. Dieses Reformpaket will er dann voraussichtlich im kommenden Jahr den Bürgern präsentieren, in der Hoffnung, dass die Briten dann für den Verbleib in der EU stimmen.
Cameron droht der Kontrollverlust
Doch Cameron verliert immer mehr die Kontrolle über diesen politischen Prozess. Denn die Frage der Mitgliedschaft wird inzwischen von der Diskussion um die Zuwanderung von Ausländern nach Großbritannien überlagert, von der Arbeitnehmer-Freizügigkeit in der EU und der Aufnahme von Flüchtlingen, die die konservative Regierung in London weitgehend blockiert. Cameron stößt bei den EU-Partnern und in Brüssel mit seiner Forderung auf Widerstand, aus der EU zugewanderten Arbeitnehmern britische Sozialleistungen erst nach vier Jahren zu gewähren. Und so ist der Ausgang des Referendums derzeit kaum vorherzusagen. Nicht auszuschließen, dass der massive Zustrom von Flüchtlingen nach Europa die Briten am Ende dazu bringt, die Brücken zum Kontinent abzubrechen und für den Austritt aus der EU zu stimmen.