Interview mit Birma-Expertin "Die Junta würde notfalls das eigene Volk opfern"
Der Westen will in Birma helfen und macht deshalb Druck auf die Junta. Diese Taktik sieht Birma-Expertin Feske kritisch. Die Bevölkerung könnte anfangen, sich mit der Regierung zu solidarisieren, meint sie im tagesschau.de-Interview. Und sie warnt davor, die Junta als eine rational handelnde Regierung zu betrachten.
Der Westen will in Birma helfen und macht deshalb Druck auf die Junta. Diese Taktik sieht Birma-Expertin Feske kritisch. Die Bevölkerung könnte anfangen, sich mit der Regierung zu solidarisieren, meint sie im tagesschau.de-Interview. Und sie warnt davor, die Junta als eine rational handelnde Regierung zu betrachten.
tagesschau.de: Seit Tagen macht der Westen Druck auf die Militärjunta in Birma, auch Helfer aus dem Westen in das Krisengebiet zu lassen. Frankreich, die USA und Großbritannien haben nun ausgerechnet Kriegsschiffe mit Hilfsgütern geschickt. Ist das die richtige Taktik, um die Junta zum Einlenken zu bringen?
Prof. Susanne Feske: Bislang hat sich die Regierung in Birma als absolut resistent gegen Druck von außen erwiesen. Sollte der Westen nun Gewalt androhen oder gar anwenden, könnte das möglicherweise zu einer Solidarisierung der Bevölkerung mit der Regierung führen, was natürlich nicht im Interesse der westlichen Länder liegt. Man sieht das Elend und man sieht den Handlungsbedarf. Trotz des Zeitdrucks sollte man über diese Argumente aber sehr genau und sehr gründlich nachdenken.
Prof. Dr. Susanne Feske ist stellvertretende Direktorin des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Münster. Sie hat dort eine Professur für die Politik Südostasiens. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählt unter anderem die Staatengemeinschaft Asean, zu der auch Birma gehört.
"Druck der Asean wirksamer als Druck von außen"
tagesschau.de: Was könnte der Westen denn nun in Birma konkret anders machen? Liegt es nur an der Symbolik der Kriegsschiffe oder müsste der Westen sein Handeln generell überdenken?
Feske: Natürlich liegt es auch an der Symbolik und den Drohgebärden. Birma war lange Zeit britische Kolonie und ist insofern empfindlich, was externe Interventionen angeht. Es gibt diplomatische Kanäle, die bisher unterschiedlich genutzt wurden und deren Intensität man verstärken könnte. Das eine ist die Uno. Das zweite ist die Staatengemeinschaft Asean. Hier ist Birma Mitglied und damit an einen gewissen Verhaltenskodex gebunden. Ich meine nicht, dass die Asean militärisch intervenieren könnte oder sollte. Aber der diplomatische Druck aus der Asean gegen eines der Mitglieder könnte sich als wirksamer erweisen als der Druck von außen - von Staaten, die früher Kolonialmächte waren.
tagesschau.de: Die Diplomatie der Asean-Staaten war ja nun offenbar teilweise erfolgreich. Birma will nun zumindest Helfer aus den Asean-Staaten akzeptieren. Beim Aufstand der Mönche vor einigen Monaten waren die Asean-Staaten vom Westen noch kritisiert worden, weil sie sich mit Kritik an Birma zurückgehalten hatten. Hat diese Zurückhaltung bei der Entscheidung jetzt eine Rolle gespielt?
Feske: Es gibt in der Asean das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten. Die Asean hat sich aus Sicht der Militärjunta möglicherweise eine Art Vertrauenswürdigkeit erworben, weil sie sehr zurückhaltend ist. Man könnte sich eine Art Arbeitsteilung vorstellen: Die Asean organisiert und vermittelt als regionaler Akteur, Länder des Westen stellen die Ressourcen zur Verfügung, die nötig sind und die die Asean-Staaten nicht haben.
Prof. Dr. Susanne Feske ist stellvertretende Direktorin des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Münster. Sie hat dort eine Professur für die Politik Südostasiens. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählt unter anderem die Staatengemeinschaft Asean, zu der auch Birma gehört.
tagesschau.de: Wenn wir noch mal zurück auf den Westen kommen: Welche Rolle spielen für die westlichen Staaten bei den Hilfszusagen übergeordnete politische Überlegungen?
Feske: Ganz sicher haben westliche Staaten - allen voran die USA - ein Interesse daran, die seit Jahren illegitim in Birma herrschend Militäjunta zu entmachten und durch ein demokratisch gewähltes Regime zu ersetzen. Die Verlockung ist natürlich groß, dies im Zuge der Unglückssituation zu tun. Die Militärjunta hat aber natürlich auch Möglichkeiten, sich gegen eine gewaltsame Entmachtung zu wehren. Dafür würde sie notfalls auch die eigene Bevölkerung opfern.
"China und Indien spielen eine Schlüsselrolle"
tagesschau.de: Welche Rolle spielen China und Indien, die beiden großen Nachbarn Birmas?
Feske: Ich halte beide für Schlüsselakteure. Sie haben sehr enge Wirtschaftsbeziehungen zu Birma, beide Staaten waren bei den Protesten der Mönche im vergangene Jahr sehr zurückhaltend. Auch Indien und China könnten versuchen, Druck auf Birma auszuüben. Ich halte den Druck aus der Region für weitaus effektiver als den Druck von westlichen Staaten. Ich glaube nicht, dass Frankreich mit der Entsendung eines Kriegsschiffs in die Region erfolgreich ist. Wir sehen jetzt im Rahmen der Erdbebenkatastrophe in China, dass sich die Führung dort zum ersten Mal als handlungsfähig präsentiert und Hilfe von außen zulässt. Das ist eine große Veränderung - man weiß allerdings noch nicht ob aus Überzeugung oder aus Opportunismus.
tagesschau.de: Glauben Sie, dass die Militärjunta in Birma verfolgt, wie sich die Regierung in China in der Bebenregion verhält und wie dies im Westen ankommt?
Feske: Ich denke, sie verfolgen das ganz genau. Man muss sich aber auch klar machen, mit wem man es in Birma zu tun hat. Die Junta hat das intellektuelle Potenzial des eigenen Landes gewaltsam ausgetrocknet. Wir haben es mit Menschen zu tun, die im Militär sozialisiert sind, die über wenig akademische Ausbildung verfügen. Die Generäle wollen unter allen Umstanden an der Macht bleiben. Wir gehen immer davon aus, dass man es bei einer Regierung mit einem rationalen Akteur zu tun hat. Ich bin überzeugt, dass wir den in Birma nicht haben. Mir fehlt in der Berichterstattung in den westlichen Medien ein wenig der Aspekt, dass die Militärjunta mit dem Rücken zur Wand steht. Solche Situationen sind immer gefährlich - egal ob es sich um einzelne Individuen handelt oder um eine kollektive politische Führung.
Das Interview führte Holger Schwesinger, tagesschau.de