Cluster Munition Coalition Zahl der Streubombenopfer auf Höchststand
Die Cluster Munition Coalition zählt für 2022 so viele durch diese Waffenart Getötete und Verletzte wie nie zuvor. Die meisten der mehr als 1.000 Betroffenen - fast alle Zivilisten - habe es in der Ukraine gegeben.
Laut einem Bericht der Cluster Munition Coalition sind im vergangenen Jahr weltweit 1.172 Menschen durch Streumunition getötet oder verletzt worden. Dies sei die höchste Zahl an Opfern, die der jährliche Streubomben-Monitor seit seiner ersten Veröffentlichung 2010 zu verzeichnen habe, teilte die Hilfsorganisation Handicap International mit Sitz in München mit. Das Ergebnis sei vor allem auf den Einsatz von Streumunition in der Ukraine zurückzuführen, hieß es.
Auch in Aserbaidschan, dem Irak, Jemen, in der Demokratischen Volksrepublik Laos, im Libanon, in Myanmar und Syrien wurden im vergangenen Jahr Menschen Opfer von Streumunition. 95 Prozent aller registrierten Getöteten und Verletzten kamen den Angaben zufolge aus der Zivilbevölkerung.
An dem Zusammenschluss Cluster Munition Coalition ist etwa Human Rights Watch beteiligt. Handicap International hat die Koalition laut eigenen Angaben mitgegründet.
"Gefährlicher Präzedenzfall"
Die meisten Verletzten und Tote gab es mit insgesamt 916 in der Ukraine. Das sei vor allem auf den umfangreichen Einsatz von Streumunition durch Russland zurückzuführen, heißt es in dem Bericht. Doch auch die ukrainischen Streitkräfte hätten Streumunition eingesetzt. Die Entscheidung der US-Regierung im Juli 2023 Streumunition an die Ukraine zu liefern, schaffe einen "gefährlichen Präzedenzfall", erklärte Handicap International.
"Es ist skrupellos, dass Zivilisten 15 Jahre nach dem Verbot dieser Waffen immer noch durch Angriffe mit Streumunition sterben", sagte Mary Wareham von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die den Bericht zusammengestellt hat. Im Vorjahr gab es dem Bericht zufolge deutlich weniger Opfer als 2022: 2021 seien 149 Menschen weltweit durch Streumunition verletzt oder getötet worden.
"Im negativen Sinne sehr nachhaltig"
Streumunition gehöre zu den für die Zivilbevölkerung gefährlichsten Waffen, da sie noch lange nach Beendigung des Konflikts zu Opfern führen könne, heißt es in dem Bericht. So wurden 185 Menschen im Jahr 2022 Opfer von Resten von Streumunition. Diejenigen, die die Explosion der Streumunition überlebten, verlören oft Hände und Füße oder erlitten schwere Verletzungen an lebenswichtigen Organen.
"Gerade durch diese Sensibilität dieser kleinen Blindgänger" sei Streumunition "besonders schwer zu räumen", sagte Eva Fischer von Handicap International im Gespräch mit tagesschau24. "Das macht sie im negativen Sinne sehr nachhaltig und sehr schwer zu räumen."
Die humanitären Folgen der Streumunition seien bei Weitem größer als ihr militärischer Nutzen, so Fischer. Der Einsatz der Streumunition in der Ukraine sei eine sehr schlechte Idee. Die Bundesregierung müsse sich eindeutiger gegen den Einsatz positionieren und Druck auf Länder wie die USA; die Ukraine und Russland ausüben, fordert Handicap International.
Übereinkommen von 124 Staaten
Streumunition besteht aus vielen kleinen Sprengsätzen, die in Behältern aus Raketenwerfern oder Kampfflugzeugen abgeschossen werden und sich über große Flächen verteilen. Der Einsatz wird von vielen Ländern geächtet. Den am 1. August 2010 in Kraft getretenen Streubomben-Verbotsvertrag (Oslo-Übereinkommen) haben bislang 124 Staaten unterzeichnet, von 112 Staaten wurde er ratifiziert. Die Länder ächten die Waffen, versprechen die Zerstörung von Beständen und helfen, verseuchte Gebiete zu reinigen.
Anders als Deutschland gehören weder Russland noch die Ukraine, Myanmar, Syrien oder die USA zu den Unterzeichnern. Die nächste Konferenz der Vertragsstaaten findet vom 11. bis 14. September in Genf statt.
In einer früheren Version dieses Textes wurde die Hilfsorganisation Handicap International als Herausgeberin des Berichts über Streubomben bezeichnet. Er stammt aber von der Cluster Munition Coalition. An diesem Zusammenschluss internationaler Organisationen ist etwa Human Rights Watch beteiligt. Handicap International hat die Koalition laut eigenen Angaben mitgegründet. Wir haben den Fehler korrigiert.
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