Gewalt bei der Fußball-EM Jagdszenen aus Marseille
Nicht nur Fußball-Fans blicken entsetzt nach Marseille und Nizza. Die massive Gewalt zwischen Fußball-Fans wirft einen frühen Schatten auf die EM. Die Attacken können den russischen Fußball-Verband teuer zu stehen kommen - die UEFA ermittelt gegen ihn.
Es sind die Szenen, vor denen französische Offizielle gewarnt haben: Fans, die vor und nach Spielen der Fußball-Europameisterschaft im Land aufeinander losgehen und versuchen, den Anhängern des gegnerischen Teams Verletzungen zuzufügen.
Schon vor Turnierbeginn gab es in Marseille die ersten Zusammenstöße zwischen Fans der russischen und britischen Team, und sie dauerten drei Tage an. Die Bilanz des gestrigen Samstags, dem Tag der Begegnung England - Frankreich: Mindestens 35 Verletzte, ein britischer Fan schwebt in Lebensgefahr.
Den Tag mit Randale verbracht
Schon vor dem Spiel hatte die Polizei Fans mit Wasserwerfern und Tränengas auseinandertreiben müssen, die sich mit Flaschen und Stühlen bewarfen. Nach Abpfiff der Begegnung dann neue Gewalt: Dutzende russische Fußball-Fans stürmen im Stade Vélodrome auf englische Anhänger los, beschießen sie mit Leuchtraketen. Es kommt zu Schlägereien und Panik. Viele englische Zuschauer versuchen, über Zäune in den Innenraum zu klettern. Die Ordner, die zunächst tatenlos zuschauen, trennten schließlich Fans und Schläger. Nach Mitternacht dann neue Aussschreitungen am alten Hafen.
Auch aus Nizza werden Ausschreitungen gemeldet. Dort greifen örtliche Jugendliche nordirische Fans an, auch hier fliegen Flaschen, kommt es zu Schlägereien, greifen Jugendliche zu Stühlen oder Eisenstangen. Sieben Verletzte zählt die Polizei.
Die Polizei versucht die Fußball-Fans in Marseille auseinanderzutreiben...
Die Behörden wehren sich gegen Kritik
Haben die französischen Sicherheitsbehörden trotz eines zahlenmäßig großen Aufgebots an Polizisten die Lage unterschätzt? Das Innenministerium weist diesen Vorwurf am Morgen zurück, man habe zahlreiche vorbeugende Maßnahmen ergriffen. Frankreich habe Einreiseverbote gegen 3000 Menschen verhängt, und die britische Regierung habe vor der EM 3000 Hooligans ihre Pässe abgenommen.
Schuld, so der Sprecher, trage letztlich der Fußball selbst. Wenn es ein Scheitern gebe, dann sei es "ein Scheitern des Fußballs, der ganz klar zeigt, dass er noch an einem Teil seiner Fans krankt", sagte Ministeriumssprecher Henry-Pierre Brandet.
Betrunken ins Stadion
Britische Fans kritisierten dagegen die späte Spielansetzung auf 21 Uhr. Bis dahin seien "alle völlig besoffen" gewesen, berichtete ein Mann. Hundert russische Fans hätten britische Anhänger "aus dem Nichts heraus" angegriffen.
Der Chef der nationalen Abteilung zur Hooliganismus-Bekämpfung, Antoine Boutonnet, bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, dass Alkohol einen erheblichen Anteil am Ausbruch der Gewalt gehabt habe. Die Polizei habe aber die richtigen Maßnahmen getroffen und "schnell und wirksam" interveniert.
Die Ehefrau des englischen Nationalsspeilers Jamie Vardy machte der Polizei dagegen schwere Vorwürfe. Die Polizei habe vor dem Stadion "ohne Grund" Tränengas eingesetzt und Anhänger "wie die Tiere" behandelt, obwohl es zu diesem Zeitpunkt keine Gewalt gegeben habe, sagte Rebekah Vardy der Londoner Boulevardzeitung "Sun".
UEFA nimmt Ermittlungen auf
Für den russischen Fußballverband zeichnen sich schon jetzt Konsequenzen ab. Der europäische Fußballverband UEFA eröffnete wegen der Ausschreitungen ein Verfahren gegen ihn. Schon am Dienstag will die Disziplinarkommission ein Urteil verkünden. Ermittelt wird gegen Russland auch wegen angeblich rassistischen Verhaltens und des Zündens von Feuerwerkskörpern.
Den UEFA-Statuten nach haften die nationalen Verbände unter anderem für alle Verstöße gegen Ordnung und Disziplin in und um das Stadion herum. Der russische Verband wäre damit auch verantwortlich für von russischen Fans ausgelösten Zusammenstöße in der Marseiller Innenstadt. Die Strafmanßnahmen reichen von einer Ermahnung bis hin zum Ausschluss aus einem Wettbewerb.
Russland selbst rechnet Sportminister Witali Mutko zufolge mit einer Geldstrafe. Die Entscheidung der UEFA sei richtig. Mutko, der auch Chef des russischen Fußballverbands RFS ist, kritisierte zugleich die Sicherheitsmaßnahmen im Stade Vélodrome. "Man müsse solche Spiele gut organisieren und die Fans (im Stadion) trennen", sagte er Moskauer Medien zufolge. So habe es etwa keine Fangnetze zum Schutz vor Feuerwerkskörpern gegeben.