Anhänger der Huthi-Rebellen begleiten in Sanaa (Jemen) neu rekrutierte Huthi-Kämpfer bei einer Zeremonie am Ende ihrer Ausbildung
interview

Angriffe auf den Jemen "Angriffe stärken die Huthi enorm"

Stand: 12.01.2024 12:47 Uhr

Der Jemen-Experte Jens Heibach bezweifelt, dass die Angriffe der USA und Großbritanniens die Huthi schwächen werden. Ähnliche Maßnahmen hätten schon zuvor wenig bewirkt. Vielmehr stärke dies das Ansehen der Huthi in der islamischen Welt.

tagesschau24: Wir sehen eine neue Entwicklung - als Reaktion auf die Attacken der Huthi-Rebellen auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer hat jetzt das US-Militär mit Alliierten Militärschläge verübt. Könnte das die Gesamtlage eskalieren?

Jens Heibach: Sicherlich - in vielfacher Hinsicht. Wichtig ist zunächst zu erwähnen, dass auch der Hafen von Hudaida getroffen wurde. Und das hat konkrete Folgen insbesondere für die Bevölkerung, denn 70 Prozent der Importe und 80 Prozent der humanitären Hilfe für die Bevölkerung im Jemen, die seit mehreren Jahren in einer humanitär katastrophalen Lage lebt, kommen über diesen Hafen. Insofern hat das ganz konkrete Folgen.

"Schwächung der Huthi sehe ich nicht", Jens Heibach, GIGA-Institut Hamburg, mit Einschätzungen zur Lage im Jemen

tagesschau24, 12.01.2024 10:00 Uhr

"Sehe keine Schwächung"

tagesschau24: Die Huthi kontrollieren die Hauptstadt und weite Teile des Jemen. Könnten die Angriffe der USA und Großbritanniens die Stellung der Huthi im Jemen schwächen?

Heibach: Das sehe ich nicht. Wie Sie ja wissen, befindet sich der Jemen bereits seit Jahren in einem Krieg, geführt vor allem von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten mit enormer logistischer Unterstützung der USA, und auch durch die massiven Luftschläge und Blockaden zu See und zu Land konnte man den Huthi in den vergangenen Jahren nicht beikommen. Deswegen sehe ich nicht, wie man mit den jetzigen Mitteln den Huthi Einhalt gebieten kann.

Zur Person
Dr Jens Heibach ist Research Fellow am GIGA-Institut in Hamburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören der Jemen, Saudi-Arabien und die Subsahara-Afrika.

"Krieg im Jemen und Gazastreifen miteinander verbunden"

tagesschau24: Die Rebellen sagen, sie wollen weiter Schiffe im Roten Meer angreifen. Wie könnte denn eine Eskalation vermieden werden?

Heibach: Die Huthi selbst sagen, dass die Angriffe auf die Schiffe im Roten Meer als Reaktion auf den Gazakrieg zu verstehen sind. Und die leichteste oder offensichtlichste Art und Weise, diese Angriffe zu verhindern, wäre, zu einer Waffenruhe in Gaza zu gelangen. Denn diese beiden Konflikte sind mittlerweile direkt miteinander verbunden. Militärisch wird es äußerst schwer, den Huthi Einhalt zu gebieten. Das geht nicht auf diese Art und Weise. Insofern sind die Weichen momentan auf weitere Eskalation gestellt.

"Enormer Prestigegewinn für die Huthi"

tagesschau24: Die Huthi sind ja primär gegen den Westen und Israel, werden vom Iran mitfinanziert und unterstützen die Terrororganisation Hamas. Was genau wollen sie erreichen? Was ist ihr Ziel?

Heibach: Innenpolitisch stärken diese Angriffe die Huthi gegenüber ihren Gegnern enorm. Vor allen Dingen bedeutet es einen enormen Prestigegewinn für die Huthi in der arabischen und der weiteren islamischen Welt. Die Angriffe torpedieren damit die Normalisierungsbestrebungen arabischer Staaten, allen voran Saudi-Arabiens und der Emirate. Das ist mit Sicherheit ein erstes Ziel der Huthi.

Und in gewisser Hinsicht entstanden die Huthi als Organisation vor dem Hintergrund der zweiten Intifada und haben sich als solche als solches auch zum Ziel gesetzt, den Staat Israel zu vernichten. Insofern ist mit Sicherheit ein weiteres Ziel, weiter gegen Israel vorzugehen und die Palästinenser zu unterstützen.

Das Gespräch führte Damla Hekimoglu, tagesschau24