Mikrochips Taiwans unsichtbarer Schutzschild
Als Hersteller von Mikrochips hat sich Taiwan weltweit unentbehrlich gemacht und damit einen unsichtbaren Schutzschild für sich geschaffen. Doch nicht nur China arbeitet daran, das zu ändern.
Um die Mittagszeit wird es hektisch im Hafen des kleinen Fischerortes Ta-Hsi im Nordosten Taiwans. Dann kommen dutzende Boote zurück von See und bringen frischen Fang an Land. Doch die Stimmung unter den Fischern und Markleuten ist gereizt in der letzten Zeit. Es ist erst ein paar Wochen her, dass Raketen quasi über ihre Köpfe hinwegflogen. Eine fremde Militärmacht tauchte direkt vor der Küste auf. Es waren Chinas Streitkräfte, die Geschosse ins Meer regnen ließen.
"Die sollen keine kleinen Länder schikanieren!", schimpft ein Fischhändler, immer noch ganz aufgebracht. Seine Nachbarin macht sich Sorgen, "dass es uns wie der Ukraine ergehen könnte". Die Gefahr nahm zu in der Region. Immer aggressiver beansprucht die Volksrepublik China die Insel für sich. Dass es bisher nicht zum Krieg gekommen ist - es hat auch mit Taiwan selbst zu tun.
Wirtschaftlich betrachtet braucht die ganze Welt das freie Taiwan. Für die Produktion von Mikrochips, auch Halbleiter genannt, ist die Insel unerlässlich. Denn niemand ist so effektiv darin, die mikroskopisch kleinen Schaltkreise zu fertigen und auf Silicium-Scheiben aufzubringen. Sie steuern Smartphones, Waschmaschinen, Laptops und vieles mehr. Ein Großteil der leistungsfähigsten Chips in neuen elektronischen Geräten kommt aus Taiwan. Ebenso der Weltmarktführer der Branche, das Unternehmen TSMC.
"Fragiles, komplexes Geflecht"
Politisch hat das weitreichende Folgen, erklärt Janka Oertel, Sicherheitsexpertin vom European Council on Foreign Relations. Denn die Chip-Industrie ist global vernetzt: "Wenn eine Lieferung aus Taiwan nicht mehr möglich ist, aber auch eine Zulieferung der verschiedenen Inhaltsstoffe, dann bricht das sehr schnell zusammen. Es ist ein fragiles und sehr komplexes Geflecht." Ein Krieg um Taiwan würde die Lieferkette abreißen lassen und rund um den Globus für Turbulenzen sorgen. Das würde auch dem möglichen Angreifer schaden.
Es ist auch vom "Silicium-Schutzschild" die Rede, der Taiwan vor einem Überfall schütze. Doch dieser Schutzschild bekam Risse in den vergangenen Jahren. Andere Länder arbeiten daran, die Abhängigkeit von Taiwan zu verringern.
Die USA wollen die Chip-Produktion zurückholen ins eigene Land: Mit Milliarden-Subventionen baut Intel ein modernes Werk in der Wüste von Arizona. China will seine Wirtschaft von Zulieferungen komplett unabhängig machen und strebt die Marktführerschaft in High-Tech-Branchen bis Ende des Jahrzehnts an.
Weltweiter Wettkampf um Chips
Auch in Europa sollen mehr High-Tech-Chips hergestellt werden. Dafür gibt die EU 43 Milliarden Euro, beschlossen im "EU Chips Act". Einen Trumpf hat Europa schon: In Veldhoven in den Niederlanden baut die Firma ASML Maschinen für die Halbleiter-Fertigung, die auf der ganzen Welt begehrt sind - auch in China. Aber die niederländische Regierung gibt dafür keine Ausfuhrgenehmigung mehr, auch auf Wunsch der USA.
Wie lange Taiwan in diesem weltweiten Wettkampf noch vorne bleiben kann, vermag niemand vorherzusagen. Für die Freiheit der Insel ist es eine entscheidende Frage.
Ausgerechnet ein Pionier der heimischen Chip-Industrie will sich nicht mehr auf den vermeintlichen "Silicium-Schutzschild" verlassen: Der Unternehmer Robert Tsao, einst Gründer des Chip-Herstellers UMC, sorgte im Sommer mit einer Ankündigung für Aufsehen. Er werde 100 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen spenden, um die Verteidigung Taiwans zu verbessern.
"Wenn ihr kommt, werden wir kämpfen"
Technik-Tycoon Tsao fürchtet, dass Taiwan gerade wegen seiner hochmodernen Chip-Industrie zum militärischen Ziel für China werden könnte. Die Kontrolle über die Halbleiter-Werke auf der Insel zu gewinnen, gäbe Peking ein wirkungsvolles Druckmittel in die Hand.
Markige Pose in beschusshemmender Weste und Helm: Robert Tsao bei der Bekanntgabe seiner Pläne, für die militärische Grundausbildung Hunderttausender Zivilisten aufzukommen.
Deshalb will Tsao unter anderem 300.000 Zivilisten auf eigene Kosten an Waffen ausbilden lassen. Sie sollen im Kriegsfall die taiwanischen Streitkräfte unterstützen. An Peking richtet er eindeutige Worte: "Wenn Ihr kommt, dann werden wir kämpfen bis zum letzten Mann."
Für Taiwan würde der Anschluss an die Volksrepublik China das Ende der Demokratie bedeuten. Für den Rest der Welt ein wirtschaftliches Desaster.