Baerbock in Damaskus Klare Forderungen an Syriens Machthaber
Außenministerin Baerbock hat der neuen syrischen Führung bei ihrem Besuch in Damaskus klare Bedingungen für die Unterstützung Europas gestellt. Auf einen Handschlag muss sie verzichten.
Im Präsidentenpalast zu Damaskus, wo vor Kurzem noch Baschar al-Assad Besuch empfangen hatte, trafen Annalena Baerbock und ihr französischer Kollege Jean-Noë Barrot jetzt den Mann, von dem nicht nur die Syrer hoffen, dass er sich nicht als Diktator erweisen wird: den Islamisten Ahmed al-Scharaa.
Vor vier Wochen hatte er mit seiner HTS-Miliz Assad vertrieben. Nach dem Treffen mit Ashara unterstrich die deutsche Außenministerin, Europa werde nicht Geldgeber neuer islamistischer Strukturen sein. Und sie verlangte von der neuen syrischen Führung die Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen.
Kein Handschlag für Baerbock
Baerbock sagte auf Englisch, alle müssten am verfassungsgebenden Prozess und an einer künftigen syrischen Regierung beteiligt werden. Die Europäische Union wolle mithelfen, dass dieses künftige Kapitel Syriens ein friedliches und freies werde.
Zuvor hatte Baerbock bereits erklärt, einen Neuanfang könne es nur geben, wenn die Vergangenheit aufgearbeitet, Gerechtigkeit hergestellt werde und Racheakte ausblieben. Zu Beginn des Treffens hatte der strenggläubige Muslim Ahmed al-Scharaa, der deutschen Außenministerin zwar nicht die Hand gereicht, sich aber angeregt mit ihr unterhalten.
In der Farbe der Sufragetten
Als wolle sie auch optisch ihre Forderung unterstreichen, dass Rechte, Schutz und Gerechtigkeit auch für Frauen im neuen Syrien gelten müssten, war Annalena Baerbock ganz im Weiß der Suffragetten zum Treffen mit Syriens neuem starken Mann erschienen. Die Suffragetten hatten sich einst für das Frauenwahlrecht eingesetzt.
Besuch im berüchtigten Foltergefängnis
Den Besuch im berüchtigten Gefängnis Zaya am Morgen hatte Baerbock noch in Wanderkleidung absolviert. Während der Assad-Diktatur waren dort rund 140.000 Menschen verschwunden, vielleicht zu Tode gefoltert worden.
"Den Horror mancher Orte kann man sich einfach nicht vorstellen", sagte sie. "Aber Menschen sind hier in der Nähe der syrischen Hauptstadt Damaskus durch die Hölle gegangen, wurden umgebracht mit Methoden, die man sich in einer zivilisierten Welt nicht vorstellen kann."
Dank an die Weißhelme
Gerechtigkeit müsse ein Eckpfeiler der Versöhnung sein, so Baerbock. Und sie bedankte sich bei den syrischen Weißhelmen, die sie durch Sednaya geführt hatten. Die private Zivilschutzorganisation habe immer wieder deutlich gemacht, dass das Assad-Regime ein menschenverachtendes Folterregime war, zu dem es keine Normalisierung geben durfte.
Amer Haj Omar von den Weißhelmen wiederum sagte, Baerbocks Besuch sei wichtig gewesen - weil Deutschland ein demokratisches Land ist, das an Freiheiten und Rechte glaubt, so Omar. Syrien sei auf Unterstützung von außen angewiesen, um seinen Bürgerinnen und Bürgern zu ihren Rechten zu verhelfen.
Baerbock war am Morgen kurz nach ihrem französischen Kollegen Barraud in Damaskus eingetroffen. Sie sind die ersten hochrangigen westlichen Politiker, die den neuen starken Mann in Damaskus besucht hatten - in enger Absprache und im Namen der EU mit dem Mandat der EU-Außenbeauftragten.