"Sportswashing" in Saudi-Arabien Milliardenschwere Imagepflege mit Spitzensport
Ob Fußball, Golf oder Skifahren in der Wüste: Saudi-Arabien investiert massiv in den Spitzensport. Mehr internationales Renommee verspricht sich der Golfstaat davon - und will wohl auch von eigenen Problemen ablenken.
"Ihr habt Benzema gekauft", schreit ein Fan vom saudischen Fußballclub al-Ittihad begeistert in seine Handykamera. Und ein anderer postet: "Das ist zu viel für uns, Benzema bei Ittihad, mein Gott. Wenn unsere Regierung etwas will, dann bekommt sie es auch."
Und zwar für jede Menge Geld: 100 Millionen Euro pro Jahr soll Karim Benzema nach dem Transfer von Real Madrid bei den Saudis verdienen, Ronaldo hat bei seinem Wechsel an den Golf vor einigen Monaten sogar 200 Millionen ausgehandelt. Saudi-Arabien ist auf Shopping-Tour der besonderen Art: Der reiche Golfstaat kauft sich gerade hemmungslos durch die internationale Sportwelt.
Asiatische Winterspiele auf Kunstschnee
In dieser Woche wurde ein anderer historischer Deal beim Golf-Sport bekannt: Die US-amerikanische, die saudische und die europäische Golftour gaben nach monatelangen Streitigkeiten bekannt, eine gemeinsame Einheit zu formen. Finanziert wird die Gemeinschaft des Golfsports ab sofort vom saudischen Staatsfonds. Die Saudis haben erfolgreich den Golfsport gekauft.
Und damit nicht genug: Die Ralley Dakar braust schon seit Jahren durch die Wüste Saudi-Arabiens, im kommenden Monat findet im Land ein riesiges e-Sport-Festival statt und 2029 will Saudi-Arabien auch noch die asiatischen Winterspiele austragen - in dem heißen Wüstenland natürlich auf Kunstschnee.
Was wie ein absurdes Theater klingt, ist den Saudis absoluter Ernst. Dahinter stecke eine klare politische Agenda, sagt der Politik-Analyst James Dorsey. Mit Hilfe des Sports und mit Großveranstaltungen wolle Saudi-Arabien zu einer international anerkannten Weltmacht aufsteigen. "Das Land am Golf strebt nach mehr Bedeutung auf der politischen Weltbühne", erklärt Dorsey.
Sport als Wirtschaftszweig - jenseits des Öls
Und innenpolitische Interessen gehen damit Hand in Hand. Mit Blick auf die ausgerufene saudische "Vision 2030" kommt Sport mit seinen Großevents als Investitionsanreiz gerade recht: "Sport ist ein Wirtschaftsfaktor. Kronprinz Mohammed bin Salman hat den Plan, die Wirtschaft im Land zu diversifizieren - weg vom Öl. Und da ist Sport ein wichtiger Faktor, vor allem für die mehrheitlich junge Gesellschaft, die große Ziele hat", meint Dorsey.
Und gerade deshalb geht es auch darum, von den Negativschlagzeilen des Landes abzulenken - viele nennen das "Sportswashing" - auch Analyst Dorsey: "'Sportswashing' besagt, dass sich Länder als Sport-Sponsoren engagieren oder Stars einkaufen, um damit von einer beschädigten Reputation abzulenken. Und ganz offensichtlich hat Saudi-Arabien einen schlechten Ruf. "
Saudi-Arabien steht aufgrund seiner Menschenrechtsverletzungen international scharf in der Kritik. Da ist der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi 2018 in der Türkei, der auf das Konto der Saudis gehen soll, da sind Massenhinrichtungen und das Einsperren von Regime-Gegnern. Da sind junge Frauen wie die Studentin Salma al-Schihab, die wegen ein paar Tweets zu rund 30 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
"Sportswashing" soll Menschenrechtsverstöße vertuschen
Das sei die Realität in Saudi-Arabien, sagt der saudische Anwalt und Menschenrechtsaktivist Taha al-Hajji, der im Exil lebt. "Mit diesen Deals und großen Events auf dem Sportgebiet will die saudische Regierung die dunkle Seite des Landes vertuschen, die Seite der Hinrichtungen und Unterdrückung", sagt al-Hajji. "Durch die großen Events und die Stars versuchen die Saudis, die Presse und die Öffentlichkeit zu täuschen."
Mit "Sportswashing" - also dem Wegwaschen eines schlechten Images durch harmlose Sportveranstaltungen - will Saudi-Arabien mehr internationale Wahrnehmung und Anerkennung erreichen. Die weiße Weste des strahlenden Gastgebers hilft bei der PR sowie als Investitionsanreiz und sorgt für ein besseres Ansehen.
Ein Trend, den auch das kleine Nachbarland Katar schon seit längerem verfolgt. Durch die Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr hat Katar es geschafft, weltweit bekannt zu werden. Zum Neid der Saudis, die jetzt nachziehen wollen: "Die Saudis wollen die Vorherrscher in der Region sein und sehen sich da im Wettbewerb", sagt Dorsey. Deshalb engagierten sie sich in allen Sport-Bereichen und investierten viel Geld dafür.
WM 2030 in Saudi-Arabien?
Der Traum von Saudi-Arabien: Die Fußball-WM 2030 ausrichten - gemeinsam mit Ägypten und Griechenland. Aber schaffen es die Saudis wirklich, sich durch Einkäufe eine Sportnation aufzubauen? Analyst Dorsey hat da Zweifel: "Kurzfristig sicherlich, aber langfristig nein. Man kann sich eine Sportnation nicht im Regal kaufen, sondern muss sie aufbauen. Das braucht Zeit. Kurzfristig schafft das natürlich Aufmerksamkeit. Aber schaffe ich durch die Einkäufe einen nachhaltigen Sportsektor, in dem die Saudis international zu Topsportlern werden? Das ist sehr zu bezweifeln."
Mit seiner Sportbegeisterung will der saudische Kronprinz übrigens offenbar auch sein Volk dazu bewegen, selbst wieder mehr Sport zu treiben. Viele Saudis sind zu dick, die Diabeteszahlen sind erschreckend hoch. Ob sich das durch die Superstars im Land ändert, ist fraglich.
Und einen Rückschlag mussten die Saudis hinnehmen bei ihrer "Shopping-Tour" nach Fußball-Größen: Berichten zufolge hat Topspieler Messi ein äußerst lukratives Angebot der Saudis ausgeschlagen und wechselt jetzt nach Miami und nicht an den Golf. Manchmal geht es offenbar doch nicht nur ums Geld.