Philippinen Wo Angst Duterte nicht mehr hilft
Im Juni 2022 endet die Amtszeit des philippinischen Präsidenten Duterte, nochmal antreten darf er nicht. Sein brutaler Anti-Drogen-Krieg machte ihn lange Zeit populär, doch das ändert sich in der Pandemie.
So wie Hitler die Juden wolle er die Millionen Drogensüchtigen auf den Philippinen abschlachten, sagte der Präsident einer der größten Demokratien Südostasiens einmal in einer öffentlichen Ansprache. Rodrigo Duterte bedachte den US-Präsidenten, die Vereinten Nationen und China mit wüsten Drohungen. Er beschimpfte - in einem überwiegend katholischen Land - den Papst als "Hurensohn".
Duterte beginnt seine Tiraden auf Englisch, aber wenn er sich in Rage redet, wechselt er mitten im Satz ins Tagalog, die Sprache der Philippinen. Seine Ausfälle lösen international regelmäßig große Empörung aus, zuweilen sogar diplomatische Verwicklungen. Die Mehrheit der Philippiner aber stellt dem scheidenden Präsidenten nach fünf Jahren ein gutes Zeugnis aus.
"Wenn ihr schießen müsst, dann schießt sie tot"
Seine Präsidentschaft kennt letztlich nur ein Thema: den Kampf gegen Drogen. Er wolle die Bucht von Manila mit dem Blut von Kriminellen füllen, hatte der bis dahin weitgehend unbekannte Lokalpolitiker unter dem Jubel der Masse in einer Wahlkampfrede vor der Präsidentschaftswahl 2016 versprochen. Geschätzt drei Millionen Philippiner waren damals süchtig. Shabu - eine billige chemische Droge - wurde selbst in abgelegenen Dörfern verkauft. In Manila beherrschten Dealerbanden ganze Stadtviertel - No-Go-Areas selbst für Polizei, Eltern taten vor Angst kein Auge zu, wenn ihre Kinder nachts ausgingen.
Duterte versprach, das Land sicher zu machen. Und wurde gewählt. Dann ließ er die Hunde von der Kette. Schwerbewaffnete Polizeieinheiten durchkämmten die Elendsviertel, nahmen fest, durchsuchten und schüchterten ein. "Wenn ihr schießen müsst, dann schießt sie tot", rief er seinen Polizisten zu, und das taten die dann auch. Mehr als 7000 Menschen starben durch Polizeikugeln, oft mit erhobenen Händen, wie Videos zeigen. Unterstützt wurden die Sicherheitskräfte von privaten Todesschwadronen, die mutmaßliche Dealer, Süchtige oder gänzlich Unbeteiligte von Motorrädern aus vor ihren Wohnungen erschießen.
In vielen Hütten entlang der engen Gänge in den Armenvierteln sah man Mütter, Kinder und Ehefrauen vor Särgen weinen und um Spenden betteln, weil sie die Beerdigung nicht bezahlen konnten. Tausende Dealer stellten sich freiwillig, weil sie lieber ins Gefängnis gingen als von der Polizei erschossen zu werden. Duterte hat das Drogenproblem nicht gelöst, aber er hat es von den Straßen gekehrt.
Von der "Hauptstadt der Mörder" zur "sichersten Stadt"
Natürlich rümpfen sie gerade in gebildeten Kreisen die Nase über den ungehobelten Bauerntölpel. Seine peinlichen Pöbeleien, das Macho-Gehabe, die Gewalt. Aber die Menschen sehen eben auch, dass ihre Städte sicherer geworden sind. Dass die Kinder auf dem Schulweg nicht mehr von Dealern angesprochen werden.
Vor allem in Davao lieben sie Duterte geradezu. In der Großstadt auf der südphilippinischen Insel Mindanao war Duterte 20 Jahre lang Bürgermeister. Davao galt als "Hauptstadt der Mörder", dann räumte Duterte auf. Mit einem Motorrad und einer Waffe sei er durch die Straßen gefahren, um Kriminelle zu erschießen, brüstete er sich später. Um seinen Polizisten zu zeigen: "Wenn ich das kann - dann könnt ihr das auch." Auch hier waren Todesschwadronen im Einsatz für die Staatsgewalt. Aber seitdem räumt Davao einen Preis nach dem anderen ab: grünste Stadt, sicherste Stadt, geschlechterfreundlichste oder kinderfreundlichste Stadt.
Duterte ist jetzt Bürgermeister der Philippinen. So führt er zumindest das Land. Ein schlitzohriger Kumpeltyp, der sich kümmert. Früher etwa prallten die Menschen an einer arroganten Verwaltung ab, heute gibt es Bürgertelefone. Das ändert zwar nichts an dem katastrophalen Behördensumpf, der Korruption, der maroden Infrastruktur, dem verrotteten Gesundheitssystem, der dysfunktionalen Justiz und vor allem - der Armut. Nichtsdestoweniger führt es dazu, dass die Menschen sich ernster genommen fühlen von ihrer Regierung.
Gewohntes Mittel als Antwort auf Corona
Gleichzeitig lässt der Präsident seine entschiedenste Kritikerin, Senatorin Leila de Lima, wegen fragwürdiger Drogenvorwürfe verhaften. Der größte kritische Fernsehsender wurde wegen Lizenzvestößen geschlossen. Unterdessen fließt auf den Straßen philippinischer Städte weiter Blut. Nicht nur von vermeintlichen Dealern, Süchtigen und Zufallsopfern. Sondern auch von Journalisten, die kritisch über Polizeigewalt berichten oder sich Unternehmer zum Feind gemacht haben. Auftragsmörder sind in dem armen Land billigt, gefasst werden die Täter so gut wie nie. Viele Reporter tragen eine Waffe und wechseln täglich den Arbeitsweg. Der Presseclub Manila bietet Schießkurse für Journalisten an.
Auf die Corona-Pandemie reagierte Duterte mit gewohnten Mitteln: Er schickte Polizisten in die Armenviertel und drohte jenen, die sich nicht an die Regeln hielten, mit Erschießung. Die Zahlen steigen bis heute dramatisch, nur zehn Prozent der Bevölkerung sind geimpft, es gibt nicht genug Serum. Der Großraum Manila geht gerade wieder in einen neuen, harten Lockdown. Die Arbeitslosigkeit stieg auf über 45 Prozent. Da es kein funktionierendes Sozialversicherungssystem gibt, heißt das für viele: Armut und Hunger. Und damit wächst erstmals auch die Unzufriedenheit an ihrem Präsidenten stärker. Wer immer Rodrigo Dutertes Nachfolge antritt im kommenden Jahr, übernimmt ein schweres Erbe.