Nach Verhaftung des Ex-Premiers Lage in Pakistan verschärft sich
Auch einen Tag nach der Festnahme des populären Ex-Premiers Khan dauern die Unruhen in Pakistan an. Der Staat reagiert mit Härte: Es gab mehrere Tote und Verletzte. Jetzt könnte auch die Armee zum Einsatz kommen.
In Pakistan spitzt sich die Lage nach der Festnahme des früheren Regierungschefs und jetzigen Oppositionsführers Imran Khan zu. Örtlichen Medienberichten zufolge lieferten sich Polizei und Khan-Anhänger stundenlange Gefechte in verschiedenen Städten des Landes. Nach Angaben eines Krankenhaussprechers in Peschawar wurden drei Menschen getötet und 27 verletzt. Bereits gestern war in der Stadt Quetta ein Anhänger Khans getötet worden. Der Gouverneur der Provinz Punjab erklärte, er habe dem Einsatz der Armee in dem Konflikt zugestimmt.
In Peschwar gehen Anhänger des inhaftierten Ex-Premiers Khan auf die Straße.
Fast tausend Anhänger Khans festgenommen
Zuvor hatten Anhänger Khans zu einem Marsch auf die Hauptstadt Islamabad aufgerufen. Sie forderten die Bevölkerung auf, das Land mit seinen 220 Millionen Einwohnern lahmzulegen.
Die Regierung erklärte, allein am Dienstag hätten Anhänger von Khans Partei PTI 14 Regierungsgebäude und 25 Polizeifahrzeuge in Brand gesetzt. In Punjab seien 945 seiner Unterstützer festgenommen worden. In drei der vier pakistanischen Provinzen wurde ein Versammlungsverbot verhängt.
Mobile Dienste eingeschränkt
Die mobilen Datendienste wie Twitter und Instagram in Pakistan waren heute den zweiten Tag in Folge nur eingeschränkt verfügbar. Informationsministerin Marriyum Aurangzeb sagte dem Sender "Geo News", die Proteste seien keine öffentliche Reaktion auf Khans Verhaftung, sondern eine Aktion seiner Partei.
Khan war am Dienstag von Bereitschaftspolizisten abgeführt worden. Dem laut Umfragen populärsten Politiker des Landes wird Korruption vorgeworfen. Bei einer Verurteilung dürfte sich Kahn bei den im November geplanten Wahlen nicht um ein politisches Amt bewerben.
Khan bestreitet Vorwürfe
Der ehemalige Cricket-Star bestreitet die Vorwürfe. Vor seiner Verhaftung war er öffentlich vom mächtigen Militär gerügt worden. Der 70 Jahre alte Ex-Regierungschef hat hochrangige Personen aus den Reihen des Militärs und Regierungschef Shehbaz Sharif beschuldigt, seine Ermordung in Auftrag gegeben zu haben - was diese zurückweisen.
Im vergangenen Jahr war Khan durch ein Misstrauensvotum als Premierminister nach fast vier Jahren im Amt abgesetzt worden. Seitdem behauptet Khan, seine Absetzung sei illegal. Er forderte immer wieder Neuwahlen.
Diskussion über Umstände der Festnahme
Die pakistanische Journalistin Mona Alam wundert sich im Interview mit dem indischen Fernsehsender "India Today" über die Art und Weise der Festnahme. Niemand stehe über dem Gesetz, auch kein ehemaliger Premierminister. Aber sie verstehe nicht, warum diese Fälle von Korruption immer erst nach der offiziellen Amtszeit auftauchen würden. In der Geschichte Pakistans habe kein Premierminister die volle Amtszeit von fünf Jahren überstanden.
"Es ist ein sehr trauriger Zustand in diesem Land; wenn dies der rechtmäßige Fall war, dann hätte er schon vor langer Zeit untersucht werden müssen. Ich frage mich, warum dies nicht geschehen ist, und ich weiß auch nicht, wie viele Vorladungen Imran Khan zugestellt wurden."
Erst im März hatten pakistanische Sicherheitskräfte versucht, den Politiker in seinem Haus in Lahore zu verhaften. Wegen heftiger Proteste seiner Anhänger brachen sie den Versuch ab. Imran Khan ist seit fast 30 Jahren Vorsitzender der Partei PTI, der Pakistanischen Bewegung für Gerechtigkeit. Im vergangenen November überlebte er einen Schusswechsel während eines Protestmarsches.
Mit Informationen von Charlotte Horn, ARD-Studio Südasien