Konflikt um Bergkarabach Aserbaidschan greift weiter an
In der Kaukasusregion Bergkarabach treibt Aserbaidschan seine Offensive weiter voran und spricht erneut von einem "Anti-Terror"-Einsatz. Nach armenischen Angaben starben bei den Angriffen 27 Menschen.
Ungeachtet internationaler Rufe nach einem Ende der Gewalt in Bergkarabach hat Aserbaidschan seinen Militäreinsatz in der Konfliktregion am Mittwoch fortgesetzt. Die am Dienstag begonnenen "antiterroristischen Maßnahmen" gingen erfolgreich weiter, teilte Aserbaidschans Verteidigungsministerium mit.
Kampfstellungen, Militärfahrzeuge, Artillerie- und Flugabwehrraketenanlagen sowie andere militärische Ausrüstung seien "neutralisiert" worden, hieß es in der Mitteilung weiter. Unabhängig ließen sich die Angaben nicht überprüfen.
Offenbar auch zivile Einrichtungen getroffen
Medienberichten zufolge erschütterten Explosionen am Morgen die Regionalhauptstadt Stepanakert. Obwohl das aserbaidschanische Verteidigungsminsiterium erklärt hatte, sich bei den Angriffen auf militärische Ziele zu beschränken, berichtete die armenische Nachrichtenagentur Armenpress, dass auch zivile Infrastruktur getroffen worden sein soll. "Die Einheiten der Verteidigungskräfte leisten mit Abwehrhandlungen den Streitkräften Aserbaidschans erbitterten Widerstand und fügen dem Feind Verluste zu", teilte das Verteidigungsministerium der nicht anerkannten Republik Bergkarabach (Arzach) mit.
Nach Angaben des Menschenrechtsbeauftragten der Region, Gegham Stepanjan, wurden gestern 27 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt. Bergkarabach liegt auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber größtenteils von ethnischen Armeniern bewohnt. Seit den 1990er-Jahren gibt es dort immer wieder Gefechte.
Angesichts der erneuten Gewalteskalation zeigte sich UN-Generalsekretär Antonio Guterres "äußerst besorgt". Er forderte eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen sowie Zugang für humanitäre Hilfe. Die Lage der Zivilbevölkerung nannte Guterres besorgniserregend.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz rief zu einem Ende der Kampfhandlungen auf. "Die erneuten militärischen Aktivitäten, davon bin ich überzeugt, führen in die Sackgasse", sagte Scholz bei der UN-Generaldebatte in New York. "Sie müssen enden."
Vermittlungsangebote aus dem Iran und Italien
Der gleiche Appell kam aus Russland. "Wegen der schnellen Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen in Bergkarabach rufen wir die Konfliktparteien auf, das Blutvergießen sofort zu beenden, die Kampfhandlungen einzustellen und Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden", hieß es in einer Mitteilung des russischen Außenministeriums, wie die Nachrichtenagentur Tass berichtete. Russland gilt als Schutzmacht Armeniens.
Für Donnerstag wurde in New York eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats einberufen, hieß es aus Diplomatenkreisen. Zuvor hatte Armenien das Gremium um Hilfe gebeten. Am Rande der UN-Vollversammlung traf sich zudem Italiens Außenminister Antonio Tajani separat mit seinen Kollegen aus Aserbaidschan und Armenien und bot einer Mitteilung zufolge eine italienische Vermittlung an. Auch der Iran bot sich als Vermittler an.
Aserbaidschan fordert Kapitulation der armenischen Führung
Als Bedingung für das Ende des jetzigen Militäreinsatzes nannte Aserbaidschan die Niederlegung der Waffen und die Abdankung der armenischen Führung in der Region. Unterstützt wird Aserbaidschan von seiner Schutzmacht Türkei. Die aserbaidschanische Regierung habe "wegen legitimer und berechtigter Sorgen" auf dem eigenen Staatsgebiet "die von ihr als notwendig erachteten Maßnahmen" ergriffen, erklärte das türkische Außenministerium.
Kurz vor Beginn der Kämpfe hatten das aserbaidschanische Innenministerium, der Geheimdienst und die Staatsanwaltschaft erklärt, zwei Mitarbeiter der Straßenverwaltung seien im Morgengrauen mit ihrem Auto auf eine Mine gefahren und durch die Explosion getötet worden. Vier zu Hilfe eilende Soldaten seien von einer weiteren Mine getötet worden.
Das armenische Außenministerium dementierte, dass eigene Truppen oder Waffen des Landes in Bergkarabach stationiert seien. Gerüchte über Sabotage und das Legen von Landminen seien "eine Lüge und fingiert". Regierungschef Nikol Paschinjan sagte, Aserbaidschans Hauptziel sei es, sein Land in die Kämpfe hineinzuziehen.
Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Version der Meldung hatten wir fälschlicherweise geschrieben, der italienische Außenminister heiße Luigi di Maio. Tatsächlich bekleidet aber Antonio Tajani seit Oktober 2022 diesen Posten. Den Fehler haben wir korrigiert.
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