Japans Ex-Premier Staatstrauerakt für Shinzo Abe
Die Trauerfeierlichkeiten für Japans Ex-Premier Abe sind hoch umstritten. Während die einen heute in Tokio demonstrierten, standen die anderen Schlange, um Blumen niederzulegen.
Egal, um welche Straßenecke man im Tokioter Stadtteil Chiyoda an diesem Vormittag auch guckt, überall stehen Menschen. Die meisten haben eine längliche weiße Plastiktüte in der Hand. Darin: Chrysanthemen, Lilien, andere weiße Schnittblumen. Hunderte, Tausende, kommen an diesem Tag später zur Arbeit.
Umstrittener Premier
Eine Frau sagt: "Abe hat Japan außerordentlich lange als Premier gedient. Innenpolitisch hat er viel für die wirtschaftliche Erholung des Landes getan. Und außenpolitisch hat er dafür gesorgt, dass Japan neu an Wert gewinnt. Ich bin ihm dafür sehr dankbar und möchte das hier zeigen."
Diese Dankbarkeit drücken auch andere Menschen aus: "Die Medien zeichnen zwar ein anderes Bild, aber Abe hat doch viel für Japan gegeben", sagt ein Mann.
Niemand war so lange Premierminister wie Shinzo Abe, aber auch niemand war so umstritten. Deswegen ist es schon eine Überraschung wie viele Menschen an diesem sonnig-heißen Tag von ihm Abschied nehmen und Blumen niederlegen wollen.
Demonstrationen gegen dubiose Verstrickungen
Nur gut einen Kilometer vom Ort der Trauer entfernt, gibt es aber auch viele, die das anders sehen. Menschen demonstrieren, rufen "Wir sind gegen den Staatsakt! Brecht das Ganze ab!"
Insgesamt drei Demos gibt es an diesem Tag. Zeitgleich zur Trauerfeier. Während in Umfragen noch fast 60 Prozent der Japanerinnen und Japaner gegen den Staatsakt für Abe sind, gehen diesmal nur ein paar Hundert auf die Straße. Zu teuer das Ganze, zu dubios die Verstrickungen von Abes Partei LDP mit der Moon-Sekte und zu umstritten die politische Leistung des Ex-Premiers. Die Diskussionen im Vorfeld waren für japanische Verhältnisse ungewöhnlich heftig.
Gäste auch aus Deutschland
Im Nippon Budokan, eigentlich eine Halle für Kampfsport und Konzerte, ist davon nichts zu spüren. Shinzo Abes Witwe Akie, gekleidet in einem schwarzen Kimono, trägt die Asche ihres Mannes in einer braun-gold verzierten Urne und unter dem Donner von 19 Salutschüssen in die Halle.
Unter den Augen von US-Vizepräsidentin Kamala Harris und dem früheren deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff ergreift derjenige das Wort, der sich im Vorfeld am meisten für einen Staatsakt für Shinzo Abe eingesetzt. Es ist der amtierende Premier, Fumio Kishida: "Mut ist das zu tun, was richtig ist - Herr Abe, Sie waren derjenige, der Mut hatte. Ernsthaft, aufrichtig und zielstrebig. Warmherzig und voller Empathie. Ich werde Sie sehnlichst vermissen."
Emotionaler Abschied
Noch emotionaler wird es, als Ex-Premier Yoshihide Suga für die Freunde seines ermordeten Vorgängers spricht: "Premier Abe, du warst eine führende Kraft, die unvergleichlich in der Geschichte Japans ist." Worte, bei denen Abes Witwe Akie Tränen von der Wange kullern.
Der Trauerstaatsakt für Shinzo Abe endet, wie er am Morgen vor dem Budokan angefangen hat: Mit Menschen, die Schlange stehen, um Blumen niederzulegen. Nur sind es diesmal hochrangige Politiker aus aller Welt.