Besuch von Ben-Gvir Provokation am Tempelberg
Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt sorgt Israels Polizeiminister Ben-Gvir für Spannungen: Der rechte Politiker besuchte den Tempelberg. Die islamistische Palästinenserorganisation Hamas hatte zuvor vor einem solchen Besuch gewarnt.
Itamar Ben-Gvir hat nicht lange gefackelt. Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt hat Israels Minister für Nationale Sicherheit seine Ankündigung wahrgemacht und den Tempelberg in Jerusalem besucht. Die Nachrichten-Website Ynet veröffentlichte Fotos, auf denen zu sehen ist, wie der Minister unter hohen Sicherheitsvorkehrungen das Areal besichtigt.
Begleitet wurde Ben-Gvir laut örtlichen Medienberichten von jüdischen Tempelbergaktivisten. Nach Polizeiangaben verlief der Besuch ohne besondere Vorkommnisse. Der Politiker schrieb nach dem Besuch bei Twitter: "Die israelische Regierung, deren Mitglied ich bin, wird sich einer Organisation schändlicher Mörder nicht unterordnen. Der Tempelberg steht allen offen und wenn die Hamas glaubt, ihre Drohungen könnten mich abschrecken, dann müssen sie verstehen, dass sich die Zeiten geändert haben."
Rüge von den USA
Kritik an dem Besuch äußerte der frühere israelische Ministerpräsident Jair Lapid. Dies passiere, "wenn ein schwacher Premierminister gezwungen ist, den unverantwortlichsten Mann im Nahen Osten mit dem explosivsten Ort im Nahen Osten zu betrauen", schrieb er auf Twitter. Auch der US-Botschafter in Israel, Tom Nides, rügte den Besuch. Die USA setzten sich für den Erhalt des Status Quo ein. Aktionen, die das verhindern, seien "inakzeptabel", sagte er gegenüber israelischen Medien.
Der Schritt wird von Palästinensern als Provokation betrachtet. Das palästinensische Außenministerium bezeichnete den Besuch trotz aller Warnungen als "krasse Verletzung der heiligen Stätten des Islam" mit potenziell "gefährlichen Folgen für die Sicherheit und Stabilität der Region", wie es in einer Stellungnahme heißt. Die islamistische Organisation Hamas teilte mit, der Besuch Ben-Gvirs sei eine Fortsetzung einer Besatzungsaggression der Zionisten gegen die heiligen Stätten der Muslime und ein Krieg gegen die arabische Identität.
Juden dürfen dort nicht beten
Der Tempelberg ist im fragilen Zusammenleben von Israelis und Palästinensern der sensibelste Ort. Er ist für Juden, Muslime und Christen gleichermaßen eine heilige Stätte. Ein Ort, der wie kein zweiter in Jerusalem überfrachtet ist mit religiöser und politischer Symbolik. Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist.
Der geltende Status Quo gestattet Nichtmuslimen zwar den Besuch, das öffentliche Gebet auf dem Tempelberg ist aber einzig Muslimen vorbehalten. Dagegen gibt es jedoch immer wieder Verstöße. Ben-Gvir hatte diese Vereinbarung als "rassistisch" und Diskriminierung gegen Juden kritisiert. Die Palästinenser werfen Israel vor, es wolle seine Kontrolle der heiligen Stätte ausweiten.
Unterstützung vom Likud
Ben-Gvir von der rechtsextremen Ozma Jehudit war in der Vergangenheit wegen rassistischer Hetze und Unterstützung einer jüdischen Terrororganisation verurteilt worden. Er gilt als politischer Brandstifter, vor allem mit Blick auf die Palästinenser. Er ist Teil der neuen rechts-religiösen Regierung Benjamin Netanyahus, die am Donnerstag in Israel vereidigt worden war.
Der Minister pocht darauf, dass künftig auch Juden auf dem Tempelberg Gebetsrechte erhalten und er provoziert. Dabei bekommt er auch vom Koalitionspartner Unterstützung.
Tote im Westjordanland
Schon vor dem Besuch Ben-Gvirs hatte die Terrororganisation Islamischer Dschihad angedroht, dass dies eine Intifada auslösen könne. Die Gefahr eines Volksaufstandes der Palästinenser gegen Israel ist durchaus realistisch. Das zeigt ein Rückblick ins Jahr 2000. Damals marschierte der damalige Oppositionsführer Ariel Sharon auf den Tempelberg und löste die zweite Intifada aus - mit Tausenden Toten über fünf Jahre.
Zuletzt nahmen die Zusammenstöße im Westjordanland zu. So erschossen noch vor Ben-Gvirs Besuch nach Angaben von Zeugen und palästinensischen Medizinern israelische Soldaten einen palästinensischen Jugendlichen. Von der israelischen Armee gab es bisher keine Stellungnahme. Am Montag hatte die israelische Armee nach eigenen Angaben zwei militante Palästinenser in der Nähe der besetzten Stadt Dschenin getötet.
Mit Informationen von Julio Segador, ARD-Studio Tel Aviv