Nach Beschluss der Knesset Israel will Sender Al Jazeera abschalten
Schon länger sieht Israels Regierung im Sender Al Jazeera ein Sprachrohr der Hamas. Nun hat die Knesset ein Gesetz verabschiedet, das die Ausstrahlung im Land stoppen soll. Premierminister Netanyahu kündigte eine sofortige Umsetzung an.
Israels Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das ein Verbot des katarischen Senders Al Jazeera ermöglicht. Das Gesetz passierte die Knesset mit breiter Mehrheit - 70 Ja-Stimmen und zehn Gegenstimmen. Die Nein-Stimmen in der Knesset kamen überwiegend von arabischen Abgeordneten im Parlament. Das neue Gesetz enge den Raum für Demokratie in Israel weiter ein, sagte ein Vertreter der arabischen Politiker im israelischen Parlament.
Das Gesetz gestattet Kommunikationsminister Schlomo Karhi, mit Genehmigung von Premierminister Benjamin Netanyahu den Sendebetrieb eines ausländischen Senders einzustellen, falls der Sender die "nationale Sicherheit des Landes" gefährdet. Die Nachrichtenseite ynet berichtete, dann könnten die Büroräume eines Senders in Israel geschlossen, die Sendeausrüstung beschlagnahmt, der Sender aus dem Programm der Anbieter von Kabel- und Satellitenfernsehen entfernt und seine Internetseite blockiert werden.
Netanyahu: "Sprachrohr der Hamas"
Das Gesetz ist vor allem auf den Nachrichtensender Al Jazeera gemünzt, der vom Golfstaat Katar finanziert wird. Premierminister Netanyahu, der sich nach einer Leistenbruch-Operation noch bis Dienstag im Krankenhaus befindet, erklärte nach der Verabschiedung, es sei an der Zeit, "das Sprachrohr der Hamas aus unserem Land zu entfernen." Er werde sofortige Maßnahmen treffen, das neue Gesetz umzusetzen und den Sendebetrieb einstellen zu lassen. "Der terroristische Sender Al-Dschasira wird nicht länger aus Israel senden", so Netanyahu im Onlinedienst X. Er beabsichtige, "in Übereinstimmung" mit einem neuen Gesetz "umgehend zu handeln und die Aktivitäten des Senders zu stoppen".
Israel wirft dem Sender aus Katar vor, voreingenommen zu berichten. Al Jazeera hat seit Beginn des Kriegs in Gazastreifen ausführlich über die katastrophale Lage im Küstengebiet berichtet und Bilder von Tod und Zerstörung gezeigt, die in israelischen TV-Sendern kaum zu sehen sind. Der Sender zeigt auch regelmäßig Videos des militärischen Hamas-Arms, der Kassam-Brigaden, häufig von Angriffen auf israelische Soldaten.
Al Jazeera bezeichnete Israels Bemühungen, den Sender im Land abzuschalten, als Eskalation. Das Vorgehen sei Teil einer Reihe systematischer israelischer Angriffe, um den Sender zum Schweigen zu bringen, hieß es in einer Erklärung am späten Abend. Der Sender wies außerdem die Anschuldigungen, die Sicherheit Israels zu gefährden, als "gefährliche und lächerliche Lüge" zurück.
Zunächst nahm Israel Rücksicht
Bereits im Oktober signalisierte die Regierung Netanyahu, den Sender in Israel verbieten zu lassen. Doch mit Blick auf die Vermittlerrolle Katars bei den Verhandlungen über eine Waffenpause sowie die Geiselfreilassung wurden diese Pläne zunächst zur Seite gelegt. Allerdings verschärfte Israels Armee ab Januar den Ton gegenüber dem Sender.
So bezeichnete sie zwei bei einem Luftangriff im Gazastreifen getötete Al-Jazeera-Journalisten als "Terror-Kämpfer". Im Februar erklärte die Armeeführung, ein verwundeter Al-Jazeera-Mitarbeiter sei ein "stellvertretender Kompanie-Kommandeur" der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas. Al Jazeera weist die Vorwürfe entschieden zurück und wirft Israel vor, systematisch auf Mitarbeiter des Senders im Gazastreifen zu zielen.
USA in Sorge um Pressefreiheit
Die USA zeigten sich als wichtigster Verbündeter Israels über die Pläne von Regierung und Knesset besorgt. "Wir glauben an die Freiheit der Presse. Sie ist entscheidend", betonte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, in Washington. Die Vereinigten Staaten unterstützten die wichtige Arbeit, die Journalisten auf der ganzen Welt leisteten. "Dazu gehören diejenigen, die über den Konflikt in Gaza berichten."
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, sagte: "Vieles von dem, was wir über die Geschehnisse in Gaza wissen, haben wir den Reportern zu verdanken, die dort ihre Arbeit machen, darunter auch Reporter von Al Jazeera." Die US-Regierung sei nicht immer mit der Berichterstattung des Senders einer Meinung, "aber es ist eine Medienorganisation, mit der wir zusammenarbeiten", sagte er.
Mit Informationen von Clemens Verenkotte, ARD-Studio Tel Aviv