Palästinenser inspizieren den Ort eines israelischen Angriffs auf ein Haus in Chan Junis im südlichen Gazastreifen.
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Neue Kämpfe in Nahost Viele Tote nach israelischen Angriffen in Gaza

Stand: 20.03.2025 13:32 Uhr

Die israelische Armee hat die Angriffe im Gazastreifen fortgesetzt. Nach Angaben von Kliniken starben zahlreiche Menschen, unter ihnen auch Kinder. In Jerusalem protestierten Tausende gegen die Fortsetzung des Krieges.

Bei israelischen Angriffen sind nach Angaben mehrerer Krankenhäuser im Gazastreifen zahlreiche Menschen getötet worden. Die Nachrichtenagentur AP berichtet von mindestens 58 Todesopfern. Bei den Attacken in der Nacht und am Morgen seien Häuser in den südlichen Städten Chan Junis und Rafah sowie im nördlichen Beit Lahija getroffen worden, erklärten die Kliniken. Das Europäische Krankenhaus in Rafah sprach demnach von 26 Todesopfern, überwiegend Frauen und Kinder. Einer der Angriffe habe einen Vater und seine sieben Kinder das Leben gekostet.

Laut der von der Terrormiliz Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden bei den Angriffen mindestens 85 Menschen getötet. Zudem gebe es Dutzende Verletzte. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die israelische Armee teilte auf Nachfrage mit, ein Luftangriff habe etwa zehn Hamas-Terroristen getroffen. Darüber hinaus lag zunächst keine Stellungnahme des Militärs zu den jüngsten Angriffen vor. Dieses erklärt stets, nur Extremisten ins Visier zu nehmen. Für getötete Zivilisten macht das Militär die Terrormiliz Hamas verantwortlich, die aus Wohngebieten operiert.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Seit der Nacht zu Dienstag attackiert die israelische Armee bereits mit massiven Luftangriffen Ziele der Hamas und der mit ihr verbündeten Islamisten vom Palästinensischen Islamischen Dschihad. Damit endete de facto die seit dem 19. Januar geltende Waffenruhe.

Beide Seiten weisen sich gegenseitig die Schuld dafür zu: Israel wirft der Hamas vor, die Freilassung von Geiseln wiederholt verweigert zu haben. Auch hat die Miliz einen von Israel unterstützten Vorschlag zur Waffenruhe zurückgewiesen, der andere Regelungen vorsah als die ursprüngliche Vereinbarung. Die Palästinenserorganisation wiederum beschuldigt Israels Regierung, die Feuerpause einseitig aufgekündigt zu haben.

Israel: "Umfangreiche Angriffe" werden fortgesetzt

Israel erhöht den Druck nun mit einer Bodenoffensive. Die "umfangreichen Angriffe" gegen Hamas-Mitglieder und Infrastruktur der Terrororganisation würden im gesamten Küstengebiet fortgesetzt, ließ die Armee am Abend verlauten.

Israels Verteidigungsminister Israel Katz forderte die Freilassung der verbliebenen Geiseln und die Vertreibung der Hamas aus dem Gazastreifen. "Die Alternative ist die völlige Verwüstung." Nach israelischen Informationen werden im Gazastreifen noch 24 lebende Geiseln festgehalten, hinzu kommen die Leichen von 35 Verschleppten.

UN: Mitarbeiter getötet

Insgesamt wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seit Wiederaufnahme der israelischen Angriffe im Gazastreifen mindestens 436 Menschen getötet, unter ihnen angeblich auch 183 Minderjährige. Die Angaben unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Hamas-Mitgliedern und lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Bei einem Angriff auf eine UN-Einrichtung in Gaza war am Mittwoch nach Angaben der Vereinten Nationen auch mindestens einer ihrer Mitarbeiter getötet worden. Weitere Menschen seien verletzt worden, einige von ihnen schwer. "Das kann kein Unfall sein", sagte der Exekutivdirektor des Büros für Projektdienste (Unops), Jorge Moreira da Silva. Palästinensische Berichte machten Israel verantwortlich. Israel wies die Anschuldigungen zurück.

Laut dem Chef des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA), Philippe Lazzarini, starben seit Wiederbeginn der Angriffe auch mehrere Mitarbeiter der Organisation. "In den vergangenen Tagen wurden weitere fünf UNRWA-Mitarbeiter getötet, womit die Zahl der Todesopfer auf 284 gestiegen ist", schrieb er auf X. "Es handelte sich um Lehrer, Ärzte und Krankenschwestern, die sich um die Schwächsten kümmerten." Es sei zu befürchten, dass das Schlimmste noch bevorstehe.

Kritik aus Frankreich

In Jerusalem protestierten am Abend Tausende Menschen gegen den Neubeginn des Gaza-Kriegs und die Politik von Premier Netanjahu. Mehrere Medien meldeten Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten und mindestens zwölf Festnahmen.

Kritik an der israelischen Offensive im Gazastreifen kam unter anderem aus Frankreich. Nach einem Telefonat mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman schrieb der französische Präsident Emmanuel Macron auf der Plattform X: "Was den Nahen Osten anbelangt, so verurteilen wir die Wiederaufnahme der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen. "Eine Rückkehr zum Waffenstillstand ist für die Freilassung aller Geiseln und den Schutz der Zivilbevölkerung unerlässlich."

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Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, zu der neuen Bodenoffensive Israels im Gazastreifen

tagesschau24, 20.03.2025 10:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 20. März 2025 um 09:10 Uhr.