
Proteste im Gazastreifen Schwindet der Rückhalt für die Hamas?
Die Hamas steht nach den Angriffen Israels geschwächt da. Zuletzt gab es im Gazastreifen Proteste - auch gegen die Terrorgruppe. Verlieren die Islamisten gerade ihre Machtbasis?
"Hamas raus" zu rufen, haben sich im Gazastreifen bisher nur wenige Menschen getraut. Wer gegen die Terrorgruppe Stellung bezieht, gilt schnell als Verräter. Das kann gefährlich werden. Die Verzweiflung ist so groß, dass mehr und mehr es trotzdem wagen.
Hisham al-Barawi wählt seine Worte mit Bedacht. Er ist Anführer eines örtlichen Familienclans. Im saudischen Fernsehsender Al-Hadath sagte er: "Hamas ist unsere Familie. Wir sind nicht gegen die Hamas - wir sind gegen die Herrschaft der Hamas!"
Seine Familie lebe ein Leben, das es ihr nicht erlauben würde, zu leben. Sie würden vor Hunger sterben, lebten in Zelten, die Kinder litten unter der Kälte. Sie schliefen auf den Straßen. "Wir sagen unseren Brüdern der Hamas: Es ist genug! Genug! Das ist Ungerechtigkeit! Wir verdienen ein besseres Leben!"
"Die Einwohner des Gazastreifens sind kriegsmüde"
Viele Menschen aus Beit Lahia sind erst kürzlich in ihre Stadt im Norden des Gazastreifens zurückgekommen. Lange hatten sie sich in den Süden des Küstengebiets geflüchtet. Als im Januar die zeitweilige Waffenruhe kam, zogen sie wieder nach Hause. Doch jetzt hat Israel sie aufgerufen, die zerstörte Stadt wieder zu verlassen.
Nachdem wieder einige Raketen aus dem Gazastreifen in Richtung Israel gefeuert wurden, fürchten die Menschen Vergeltung. "Die Einwohner des Gazastreifens sind kriegsmüde", sagt Nils Mallock, Konfliktforscher am King's College London.
Der Rückhalt für die Hamas schwinde. In der Zeit um den 7. Oktober sei die Zustimmung sehr hoch gewesen, erklärt Mallock. Damals habe diese bei 40 Prozent gelegen. Die sei aber immer schwächer geworden.
"Wir haben zuletzt Anfang Januar repräsentative Umfragen im Gazastreifen durchgeführt und festgestellt, dass nur noch jeder Fünfte die Hamas als legitime Vertretung palästinensischer Interessen sieht. Das ist wirklich ein massiver Machteinbruch", sagt der Konfliktforscher.
"Das ist wirklich ein neues Niveau"
Tatsächlich ist die Hamas auch durch die Angriffe der Israelis geschwächt. Viele ihrer bisherigen Anführer sind tot. Die Hamas hat den Angriffen aus Israel derzeit nicht viel entgegenzusetzen. Vermutlich trauen sich Menschen auch deshalb, die Terrorgruppe zu kritisieren und ihrem Ärger Luft zu machen.
In verschiedenen Orten gab es seitdem Proteste - und auch für heute werden Demonstrationen erwartet. Noch sei es zu früh, zu sagen, ob diese Proteste eine Zäsur für die Hamas bedeuten, sagt Mallock. "Es ist allerdings ein sehr bemerkenswertes Ereignis und vielleicht ein Wendepunkt in der politischen Dynamik innerhalb des Gazastreifens."
Die offene Kritik, die da formuliert werde, sei in der Vergangenheit nicht so zutage getreten. "Das ist wirklich ein neues Niveau, wo jetzt auch Repräsentanten der Hamas reagiert haben und versuchen, das runterzuspielen."
Hamas inszeniert Stärke
So sagte der führende Hamas-Sprecher Basem Naim dem Sender Al-Araby aus Katar, dass solche Demonstrationen von Menschen zu erwarten seien, die von Vernichtung bedroht seien, die sich gegen Krieg und Zerstörung wehren. Es handle sich nicht um Kundgebungen gegen die Hamas.
Die Videobilder sprechen allerdings eine andere Sprache. Wie groß der Machtverlust der Hamas wirklich ist, lässt sich allerdings schwer sagen. Erst vor wenigen Wochen hatte sie die Freilassung der Geiseln als Zeichen der Stärke inszeniert.
Netanjahu: Einnahme von Gebieten
Wirkt also der militärische Druck? Viele Israelis haben daran Zweifel . Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist davon überzeugt. "Dies zeigt, dass unsere Politik funktioniert", sagte er am Mittwoch im israelischen Parlament. "Wir werden das Gesicht des Nahen Ostens ändern."
Die Kampfhandlungen würden im Gazastreifen fortgeführt werden, und je mehr die Hamas an ihrer Weigerung festhalten würde, die Geiseln freizulassen, werde der Druck auf die Terrororganisation "immer größer und stärker". An Parlament und die Hamas gerichtet, erklärte der Regierungschef: "Dazu gehört auch die Einnahme von Gebieten und noch weitere Dinge, die ich hier nicht ausführen werde."
Sicher ist: So geschwächt die Hamas derzeit auch sein mag, so stark fühlt sich Netanjahu.