Nach Putschversuch von 2016 27 mutmaßliche Gülen-Anhänger festgenommen
Mehr als sechs Jahre nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei sind 27 mutmaßliche Anhänger des angeblichen Drahtziehers Gülen festgenommen worden. Die Zahl der Festnahmen geht inzwischen in die Hunderttausende.
Insgesamt 27 von den türkischen Behörden verdächtigte Personen wurden in Ankara und Istanbul festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, Verbindungen zum islamischen Prediger Fethullah Gülen zu haben. Gülen gilt in der Türkei als Drahtzieher des gescheiterten Putschversuchs von 2016. Er lebte bereits vor dem Putschversuch in den USA.
Einige der Personen wurden an der Grenze zu Griechenland beim Versuch auszureisen festgenommen. Der Großteil aber wurde in Istanbul und Ankara in Handschellen gelegt. Nach sieben Personen werde aktuell laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu weiter gefahndet.
Immer wieder Massenverhaftungen seit Putschversuch
Seit dem Putschversuch der "Hizmet" genannten Bewegung des Predigers Gülen wurden mittlerweile hunderttausende Menschen festgenommen. Die Zahlen hierzu von Seiten der Türkei variieren jedoch sehr stark. Sprach die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu 2019 noch von über einer halben Million festgenommener Menschen, meldete sie nun insgesamt 300.000 Festnahmen.
Die letzten Razzien gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger fanden im Oktober statt. Damals wurden laut den staatlichen Quellen mehr als 700 Menschen festgenommen. Bereits während des Putschversuches 2016 lies der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wenig Zweifel daran, womit Beteiligte des Putsches und Anhänger Gülens zu rechnen haben:
Dieser Aufstand und diese Bewegung sind ein Geschenk Gottes für uns. Warum? Weil diese Aktion uns die Gelegenheit gibt, die türkischen Streitkräfte zu säubern.
In den Tagen und Wochen nach der Nacht, in der hunderte Zivilisten sterben, entlässt Erdogan 100.000 Staatsbedienstete, schließt 180 Medien, lässt 150 Journalistinnen und Journalisten festnehmen und entfernt 20.000 Angehörige aus dem Militärdienst. Im Gegensatz zur türkischen Regierung hält der Bundesnachrichtendienst Gülen nicht für den Drahtzieher des Putsches.
Europäische Werte versus NATO - ein Balanceakt
Die Verhaftungen kommen für die Nordeuropäischen Regierungen zur Unzeit. Schwedens frisch gebackener Ministerpräsident Ulf Kristersson (Moderate Sammlungspartei) wird heute in Ankara erwartet. Er hat unter anderem das Thema NATO-Beitritt im Gepäck. Denn sowohl Schweden als auch Finnland wollen nach langer militärischer Unabhängigkeit angesichts der Bedrohung durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in die NATO eintreten.
Die Türkei hatte gedroht den Beitritt zu blockieren. Ankara begründet seine Blockadehaltung mit der angeblichen schwedischen und finnischen Unterstützung der syrischen Kurdenmiliz YPK. Die Türkei sieht sie als Ablegerin der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. In den Augen der Türkei sind die YPK-Mitglieder ebenso "Terroristen", wie die Putschisten aus den Reihen der Gülen-Anhänger.
Im Juni schlossen die Türkei, Schweden und Finnland ein Abkommen, das sich unter anderem um Auslieferungen und den Informationsaustausch zwischen den Ländern dreht.