Lage in Hongkong Freiheitsversprechen? - "Ein Witz"
Hongkongs Pressefreiheit schwindet, Journalisten werden verhaftet, Denkmäler zum Gedenken an Chinas Demokratiebewegung abgebaut. Zehntausende Hongkonger haben die Stadt verlassen. Wie reagieren diejenigen, die bleiben, auf diese Entwicklung?
Eine Stadt in stillem Protest und Schock. Nur wenige trauen sich, mit ARD-Mitarbeitern in Hongkong zu sprechen, nachdem vergangene Woche bei einer Razzia mehrere Mitarbeiter der unabhängigen Nachrichtenseite "Stand News" verhaftet wurden.
Diejenigen, die sich doch äußern, sagen, es sei belastend, dass es in Hongkong "keinen Platz" mehr gebe "für offene und mutige Medien". Sie formulieren die Sorge, dass möglicherweise noch weitere Medien gezwungen werden, dichtzumachen. Ein Passant spricht von einem "Schock", als er erfahren habe, dass Journalisten von "Stand News" festgenommen wurden.
Das pro-demokratische Online-Magazin "Stand News" sah sich gezwungen, den Betrieb einzustellen, so wie jetzt mit "CitizenNews" eine weitere Online-Nachrichtenseite das Aus verkündet hat. Keine Einzelfälle: Im Jahr 2021 wurden mehrere Medienhäuser nach und nach geschlossen. Ein prominenter Fall war die aufgelöste Zeitung "Apple Daily" des Verlegers und Demokratieaktivisten Jimmy Lai, der im Gefängnis sitzt.
"Noch repressiver" als in Festlandchina
Seitdem die chinesische Zentralregierung im vergangenen Jahr ein sogenanntes Sicherheitsgesetz für Hongkong beschlossen hat, gehen die Behörden in der eigentlich autonom regierten Sonderverwaltungsregion hart gegen die Zivilgesellschaft vor. Besonders betroffen sind Aktivisten und Journalisten.
Chung Kim Wah ist pensionierter Sozialpolitikwissenschaftler in Hongkong und ordnet die Geschehnisse des vergangenen Jahres so ein: Chinas Versprechen, ein Land mit zwei Systemen zu schaffen, sei für die Menschen in Hongkong "zu einer Art Witz geworden". Das sei völlig enttäuschend. "Es scheint, dass die Lebensweise, die Freiheit und der Charakter der offenen Gesellschaft in Hongkong nicht mehr dieselbe ist." Hongkong sei inzwischen "sogar noch repressiver" als einige Städte in Festlandchina.
Gebrochene Versprechen
Die Wirtschaftsmetropole Hongkong gehört seit 24 Jahren zu China. Bei der Übergabe der früheren britischen Kolonie an die Volksrepublik war den Menschen Autonomie bis 2047 versprochen worden - in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag. Auch waren den Menschen demokratische Wahlen in Aussicht gestellt worden.
Doch bei der jüngsten Parlamentswahl kurz vor Weihnachten wurden die demokratischen Rechte der Bevölkerung beschnitten: Alle Kandidatinnen und Kandidaten mussten loyal auf Linie der chinesischen Staats- und Parteiführung stehen. Auch durften nur 20 von 70 Parlamentssitzen direkt gewählt werden.
Alle maßgeblichen Oppositionsparteien, darunter die Demokratische Partei, traten gar nicht erst an. Das sei keine offene, allgemeine und faire Wahl gewesen, sagt Chung, und deshalb hätten sich viele Menschen dafür entschieden, einfach nicht daran teilzunehmen.
Die Wahlbeteiligung war mit etwa 30 Prozent so niedrig wie noch nie. Eine Art des stillen Protests, der noch eine Weile andauern und nicht in naher Zukunft verschwinden werde, glaubt Chung. "Viele Menschen in Hongkong machen das, auch wenn sie nichts gegen die Regierung ausrichten können. Zugleich hätten sich viele Menschen dafür entschieden, Hongkong dauerhaft zu verlassen.
Ein spürbarer Verlust
Zehntausende Hongkonger sind ins Ausland geflohen. Das sei ein Problem für Hongkong, sagt ein Geschäftsmann in Hongkong, der nicht beim Namen genannt werden will. Die meisten Menschen, die Hongkong verlassen, seien Fachleute und Experten, und das sei ein großer Verlust für die Gesellschaft - "sie ist dann nicht mehr in der Lage, sich weiterzuentwickeln und kann nur zurückfallen."
Doch Sozialpolitikwissenschaftler Chung bleibt für Hongkongs Zukunft optimistisch. Diejenigen, die bleiben, vergäßen nicht, sagt er, auch wenn Denkmäler abgebaut würden und die Pekinger Regierung in den Lehrplan an Hongkonger Schulen eingreife.
Die Regierung könne die Erinnerung in den Köpfen der Menschen nicht so leicht auslöschen, und selbst wenn sie es versuche, würden viele an ihren Überzeugungen festhalten und ihren Kindern und Familienmitgliedern mit Bildern aus dem Internet erzählen, was 1989 (bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung) passiert sei und und was es vorher gegeben habe.
Ein Lehrer, der anonym bleiben möchte, glaubt weiterhin an das Hongkong, wie er es kennt: "Seit 2019 haben wir einen hohen Preis gezahlt, um unsere Überzeugungen und Werte aufrechtzuerhalten. Es gibt immer noch Menschen, die daran festhalten. Ich glaube an die Menschen in Hongkong."