Reaktion auf China-Strategie China wirft Deutschland Politisierung vor
Dass China von der neuen deutschen China-Strategie nicht begeistert sein würde, war zu erwarten. Das Land nennt sie "politisierend", spricht von einer spaltenden Wirkung und betont umso mehr Gemeinsamkeiten.
China hat die neue China-Strategie der Bundesregierung kritisiert. Sie würde die Beziehung politisieren - das sei kontraproduktiv für die gemeinsame Zusammenarbeit, teilte das chinesische Außenministerium mit. Mit der Strategie habe die Bundesregierung künstlich Risiken geschaffen und Grenzen gezogen mit Werten und Ideologien. Aus Sicht der chinesischen Staats- und Parteiführung spaltet dies. Für die Zusammenarbeit sei das nicht förderlich.
Wang Wenbin, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums, betonte gleichzeitig die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und China: "Tatsächlich gibt es zwischen China und Deutschland weit mehr Übereinstimmungen als Unterschiede, die Zusammenarbeit überwiegt bei Weitem den Wettbewerb, und beide Seiten sind eher Partner als Konkurrenten."
Deutschland will "realistisch" mit China zusammenarbeiten
Das deutsche Bundeskabinett hatte gestern nach monatelanger Diskussion erstmals eine umfassende China-Strategie beschlossen. Sie zielt darauf ab, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu verringern, indem man zum Beispiel Rohstoffe und Produkte nicht ausschließlich von China bezieht.
Weiterhin will Deutschland mit China zusammenarbeiten, realistisch und nicht naiv, so Außenministerin Annalena Baerbock bei der Vorstellung des Papiers am Donnerstag in Berlin.
"De-Risking" auf chinesischer Seite
Dass die Volksrepublik von der deutschen China-Strategie nicht begeistert sein würde, zeichnete sich schon im Vorfeld ab, als vor ein paar Monaten bereits Inhalte des Entwurfs in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Beobachter sehen Chinas Vorwurf der Politisierung kritisch. So seien doch viele wirtschaftliche Probleme der ausländischen Unternehmen vor Ort darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaft in China stark vom Staat kontrolliert ist und eigene Staatsunternehmen gefördert werden.
Außerdem betreibt auch China eine Art De-Risking, also Risikominimierung, nennt es nur nicht so. Mit der Strategie des sogenannten doppelten Wirtschaftskreislaufs ist die Volksrepublik bereits seit Jahren darauf bedacht, zwar weiter Handel mit dem Ausland zu betreiben, aber auch Abhängigkeiten zu verringern und autark zu wirtschaften.
"Niemand möchte als Risiko bezeichnet werden"
Dass die Volksrepublik das De-Risking von deutscher Seite nicht gut findet, erklärt Mikko Huotari, Direktor des Chinaforschungsinstituts Merics in Berlin so:
Alles das, was aus dem Kontext der G7 und insbesondere von Washington aufgegriffen wird, wird als Angriff verstanden. Und wenn in den USA sich das De-Risking-Narrativ verfängt, dann ist das etwas, wogegen man sich stemmen muss. Zweitens ist auch klar, niemand möchte als Risiko bezeichnet werden. Das klingt gefährlich, das klingt bedrohlich, und soweit möglich, möchte Peking natürlich eine positive Geschichte über China erzählen bei all den Herausforderungen, die sie gerade im Inneren haben.
Eine erste Abwehrreaktion Chinas zur deutschen China-Strategie gab es am Donnerstag in Berlin. Die chinesische Botschaft schrieb auf ihrer Internetseite, China sei nicht der Verursacher von Problemen, mit denen Deutschland konfrontiert sei.
Was China befürchtet
Laut der chinesischen Politikwissenschaftlerin Long Jing vom staatlichen Shanghaier Institut für Internationale Studien (SIIS) hat China vor allem die Befürchtung, vom Ausland klein gehalten zu werden. Das Papier selbst sei nicht besorgniserregend, sondern das, was Deutschland in der Praxis im Umgang mit China damit mache - vor allem vor dem Hintergrund, dass Deutschland China zunehmend als systemischen Rivalen betrachtet.
Demnach befürchtet sie, dass Deutschland Maßnahmen ergreifen könnte, die die Entwicklung Chinas eindämmen könnten.
Wie sehr die Volksrepublik die deutsche China-Strategie selbst in einem größeren Kontext und systemischen Konflikt sieht, zeigt sich in der Analyse des Pekinger Politikwissenschaftlers Wu Qiang. In einem Interview mit der Deutschen Welle sagt er:
Der Bericht zeigt die politische Macht, die Deutschland hat. Es ist der erste Vorstoß eines kompletten Strategieberichts. In gewissem Sinne handelt es sich nicht nur um eine deutsche Strategie zu China, sondern auch um einen Strategiebericht der gesamten G7-Gruppe oder der gesamten NATO-Gruppe oder sogar der gesamten demokratischen Welt über China.
Wu Qiang ist neben Long Jing einer der wenigen Experten für internationale Politik, die sich in China noch öffentlich äußern. Wu unterrichtete früher an der Elite-Uni Tsinghua in Peking. Wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der Kommunistischen Staats- und Parteiführung wurde er entlassen.