Vorletzter Platz bei Pressefreiheit "Feldzug gegen Journalismus" in China
China ist im Pressefreiheits-Ranking weiter abgerutscht und steht nun auf dem vorletzten Platz - vor Nordkorea. Vor allem das politische Umfeld verschlechterte sich. In keinem anderen Land sind so viele Journalisten inhaftiert.
Die Einschränkungen der Presse unter Staats- und Parteichef Xi Jinping nehmen weiter zu. Vor allem, dass Xi seine Macht im vergangenen Jahr weiter ausgebaut hat, lässt China im Pressefreiheits-Ranking von "Reporter ohne Grenzen" auf den vorletzten Platz abrutschen.
Man sehe "eine noch nie dagewesene Machtkonzentration seit Mao Zedong", sagt Anne Renzenbrink von "Reporter ohne Grenzen". "Da ist es insbesondere der politische Kontext, der sich verschlechtert hat, wenn wir uns die einzelne Daten anschauen. Und das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass jetzt Xi Jinping weitermachen kann mit seinem Kurs, mit seinem Feldzug gegen den Journalismus, gegen unabhängige Berichterstattung, wie er ihn vor zehn Jahren begonnen hat."
Aktuell rund 100 Medienschaffende inhaftiert
In keinem Land der Welt sitzen mehr Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis als in China. Derzeit sind dort mehr als 100 chinesische Medienschaffende aufgrund ihrer Arbeit inhaftiert. Die Vorwürfe lauten meist Spionage, Umsturz oder Provokation von Streit. Die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" beschreibt die Haftbedingungen in chinesischen Gefängnissen als teils entsetzlich. Mehr als zehn der inhaftierten Medienschaffenden könnten im Gefängnis sterben, sollten sie nicht sofort freigelassen werden, so Renzenbrink.
"Wir beobachten, dass Medienschaffende misshandelt werden oder wenn sie Vorerkrankungen haben, dass sie bestimmte notwendige medizinische Behandlungen nicht bekommen, obwohl sie diese dringend bräuchten", sagt sie. "Es sind bereits Medienschaffende im Gefängnis gestorben in China, weil sie aufgrund dieser entsetzlichen Haftbedingungen keine ärztliche Versorgung bekommen haben oder weil sie auch misshandelt wurden."
In der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong spüren Medienschaffende weiter die Folgen des sogenannten Nationalen Sicherheitsgesetzes. Dieses wurde im Jahr 2020 von der Pekinger Zentralregierung in Hongkong eingesetzt und kann alles kriminalisieren, was sich gegen die chinesische Staats- und Parteiführung richtet. Unter anderem zahlreiche Journalisten wurden seitdem festgenommen. Dem Gründer der inzwischen geschlossenen Zeitung Apple Daily, Jimmy Lai, droht lebenslange Haft. Auch die ehemaligen Chefredakteure der ebenfalls geschlossenen Nachrichtenseite Stand News stehen vor Gericht.
"Stimmen der Opposition sind fast verschwunden"
Yin Bong Lam ist ein ehemaliger Mitarbeiter von Stand News. Er hat vor einem Jahr mit reNews seine eigene politische Nachrichtenseite gegründet und will weiter machen trotz der ständigen Gefahr, festgenommen werden zu können. "Als Journalist habe ich die Pflicht und die Verantwortung, all denen eine Stimme zu geben, die im Moment keine Stimme haben. Ja, das ist der Grund, warum ich weitermache", sagt er.
"Die Stimmen der Opposition sind fast verschwunden. Alles, was man zu sehen bekommt, sind Nachrichten und Informationen, die von der Regierung vorgegeben werden." Das sei keine gesunde Situation, findet Yin. Also habe er beschlossen, seine eigene Nachrichtenplattform zu gründen. "Ich mache das ganz allein und möchte zumindest versuchen, die Lücke ein wenig zu füllen, die nach der Schließung von Stand News und Apple Daily entstanden ist."
Widerstand in Hongkong
Ronson Chan, der Vorsitzende des Verbandes Journalist Association in Hongkong, ist nach einem halbjährigen Studienaufenthalt in Großbritannien nach Hongkong zurückgekommen und will bleiben. Im September vergangenen Jahres wurde er festgenommen und kam auf Kaution frei.
"Natürlich versuchten viele meiner Freunde in Großbritannien, mich davon zu überzeugen, im Vereinigten Königreich zu bleiben, und auch meine Familie denkt so darüber. Sie wollen, dass ich in Großbritannien bleibe, aber ich denke immer noch, dass ich zurückkommen musste", so Chan. "Ich hoffe, dass selbst, wenn sich die Situation mit der Zeit noch verschlechtern sollte, ich in Hongkong bleiben kann."
Hongkong steht im Pressefreiheits-Ranking von "Reporter ohne Grenzen" auf Platz 140 von 180 Ländern. Der ehemaligen britischen Kolonie wurden bei der Übergabe an China im Jahr 1997 für 50 Jahre weitgehende Autonomie und Freiheiten wie Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit zugesagt. Davon ist heute kaum noch etwas übrig.