Politische Lage in Venezuela Guaidó geht - alles andere bleibt
Venezuelas oppositionelle Nationalversammlung hat ihren Interimspräsidenten Guaidó abgewählt - den Gegenspieler des autoritären Staatschefs Maduro. Was denken die Menschen im Land? Und wie geht es jetzt weiter?
Auch, nachdem ihn seine eigenen Leute als Übergangspräsidenten abgewählt haben, gibt sich Juan Guaidó noch kämpferisch. "Ich bin da und ich werde bleiben", sagt er. "Wir werden der Diktatur, die jetzt einen vermeintlichen Sieg feiert, trotzen."
Ricardo Berti möchte von Kampfparolen aus dem fernen Caracas nichts mehr wissen. Er ist Bürgermeister von Las Palmitas, einer Gemeinde auf 2300 Metern Höhe in den venezolanischen Anden, neun Autostunden von der Hauptstadt entfernt. Der 76-Jährige fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. "Wir haben keine ehrlichen Anführer, keinen, der ernsthaft im Sinne des venezolanischen Volkes handeln will", sagt er. "Wir sind politische Waisen und werden allein gelassen."
Viele Menschen in Las Palmitas leben in einfachen Verhältnissen. Sie züchten Kühe oder bauen Kaffee und Brombeeren an. Alba Duran verkauft ihre Produkte auf dem Dorfmarkt. Die alleinerziehende Mutter verdient zehn US-Dollar - pro Monat. "Es braucht einen Wandel im Land", findet die 34-Jährige. "Ich will eine bessere Zukunft für die Gemeinde."
In der Hauptstadt Caracas verkauft ein Mann auf der Straße Schirme. Armut ist ein großes Problem in dem Land.
Guaidó galt als Shootingstar
Den erhofften Wandel hat Oppositionsführer Guaidó nicht gebracht. Im Januar 2019 hatte er sich nach manipulierten Wahlen in Venezuela selbst zum Übergangspräsidenten ernannt.
Am Anfang galt Guaidó als Shootingstar der Opposition in Venezuela. Tausende Menschen gingen in seinem Namen regelmäßig auf die Straße, um gegen die autoritär geführte Regierung von Nicolás Maduro zu demonstrieren. Allerdings konnte der 39-Jährige bis heute keine greifbaren Erfolge verbuchen. Die Quittung kam kurz vor Jahresende: Jetzt wurde Guaidó von seinen eigenen Leuten - den Delegierten der oppositionellen Nationalversammlung - als Interimspräsident abgewählt.
60 Staaten erkannten Guaidó an
Ein herber Rückschlag - auch für die internationale Gemeinschaft. 60 Staaten erkannten ihn im Hauruckverfahren als rechtmäßigen Präsidenten Venezuelas an - unter anderem auch die deutsche Bundesregierung und die USA.
Strategisch war das nicht durchdacht, findet der venezolanische Politikwissenschaftler Benigno Alarcón. Die Strategie sei nur so weit gegangen, die manipulierte Präsidentenwahl von 2018 nicht anzuerkennen, und es seien einige Sanktionen gegen die Regierung verhängt worden. "Dann warteten alle auf ein Wunder", so Alarcón. "Es scheint, als hätte sich niemand gefragt: Was machen wir eigentlich, wenn die Regierung trotzdem nicht zurücktritt?"
Ein Rücktritt ist für Staatschef Maduro kein Thema.
Maduro hält seine Regierung stabil
Einige Länder haben ihre offizielle Anerkennung von Guaidó als rechtmäßigen Präsidenten mittlerweile wieder zurückgenommen. Und an Rücktritt ist für Maduro ohnehin nicht zu denken: Mit der Hilfe des Militärs hat er es geschafft, seine Regierung stabil zu halten. Und das trotz der katastrophalen wirtschaftlichen Lage. Mehr als sieben Millionen Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen vor Armut und staatlicher Repression aus Venezuela geflohen.
Energiekrise als Chance für Venezuela
Nun feiert Maduro auf der internationalen Bühne ein kleines Comeback. Die Energiekrise und der Krieg in der Ukraine machen es möglich: Venezuela verfügt über enorm viel Öl, da gerät das eine oder andere Feindbild ins Wanken. Kürzlich haben die USA erste Sanktionen gegen das Land aufgehoben.
In einem Interview kurz nach der Abwahl von Guaidó bot Venezuelas Machthaber auch anderen an, bei Ölengpässen zu unterstützen: "Ich sende eine Nachricht an alle Energiefirmen in den USA, in Europa, in Lateinamerika und in Asien: Wir haben die meisten zertifizierten Ölreserven der Welt.“
Wie es politisch für die Opposition ohne Guaidó weitergeht, ist unklar. Ein mehrköpfiges Komitee übernimmt jetzt die Führung der selbsternannten Übergangsregierung. Für 2024 sind Präsidentschaftswahlen in Venezuela angesetzt. Bis dahin braucht es einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin. Und bis dahin wird sich wohl auch wenig an den Lebensverhältnissen der Menschen in Venezuela ändern.