Wahlkampf der US-Demokraten Fünf Erkenntnisse, die vom Parteitag bleiben
Mit dem Wechsel an der Spitze haben die Demokraten ihre Freude am Wahlkampf wiederentdeckt. Kandidatin Harris setzt auf positive und emotionale Botschaften. Einige warnen aber vor zu viel Zuversicht.
Der viertägige Parteitag der Demokratischen Partei in den USA ist vorbei. Am Ende bleiben vor allem fünf Punkte, die den weiteren Wahlkampf bestimmen könnten:
1. Zuversicht statt Warnungen
Als Joe Biden noch der Kandidat seiner Partei war, hatte er als wichtigste Botschaft die Warnung vor Donald Trump - und dem Ende der Demokratie, die mit dessen erneuter Präsidentschaft einhergehen würde. Auch Kamala Harris warnte in ihrer Rede vor Trump: "In vielerlei Hinsicht ist Trump ein nicht ernstzunehmender Mann. Aber die Konsequenzen, wenn wir ihn ins Weiße Haus zurücklassen, wären extrem ernsthaft. Denken Sie an die Macht, die er haben wird!"
Aber Harris sendet auch eine positive Wahlkampfbotschaft: freudvoller, optimistischer. Ihr Wahlkampfslogan ist: "Freedom".
Und diese "Freiheit" definiert ihre Partei auf dem Parteitag anders als die Republikaner. Zum Beispiel als Freiheit, über seinen eigenen Körper entscheiden zu dürfen. Als Freiheit, ohne Angst vor Waffengewalt leben zu müssen.
2. Ein bisschen Inhalt und ganz viel Emotion
Inhaltlich bleibt Harris sehr an der Oberfläche. So verspricht sie eine Politik, die die Mittelschicht stärkt. Eine Wirtschaft, die Chancen eröffnet. Die Wohnungsnot zu bekämpfen. Und weiter für das Recht auf Abtreibung zu kämpfen. Außenpolitisch bekennt sie sich klar zur NATO und zur Ukraine. Und verspricht, weiter an einem Waffenstillstand in Nahost und an der Befreiung der Geiseln in Gaza zu arbeiten.
Vor allem aber setzt Harris auf Emotion, auf das Gefühl von Aufbruch, Fortschritt, Veränderung. Mehrfach schallte auch heute wieder der Schlachtruf "We are not going back" durch die Arena.
"Wissen Sie, unsere Gegner in diesem Rennen sind jeden Tag da draußen, verunglimpfen Amerika und reden darüber, wie schrecklich alles ist", sagte Harris: "Nun, meine Mutter hatte noch eine andere Lektion, die sie uns lehrte: 'Lass dir nie von jemandem sagen, wer du bist! Zeig ihnen, wer du bist!' Also zeigt ihnen, wer ihr seid!"
Positive Zukunftsvision statt Trumps düsterer Beschreibung des Landes - das ist ein Angebot, das ankommen könnte.
3. Eine taffe und freudige Kämpferin
Kamala Harris ist seit fast vier Jahren Vizepräsidentin. Dennoch wissen viele Wählerinnen und Wähler immer noch wenig über sie. Diese Rede war ihre erste richtig große Chance, sich selbst noch einmal neu vorzustellen. Die Republikaner zeichnen sie längst als eine extreme Linke, Trump nennt sie "Kommunistin". Und er bezeichnet sie als eine Frau, die zu schwach sei, um sich auf der Weltbühne zu behaupten.
Dem setzte Harris heute kraftvoll die Version ihrer selbst entgegen. So erzählte sie ausführlich von ihrer Familiengeschichte und sprach über ihre Zeit als Staatsanwältin. "Kamala Harris for the people" ("Kamala Harris für das Volk"), seien ihre Worte vor Gericht gewesen.
Und: Es sei ihr Antrieb als Politikerin bis heute. "In meiner gesamten Karriere hatte ich nur einen einzigen Klienten: das Volk", sagte sie, als sie die Nominierung annahm und versprach, Präsidentin aller Amerikaner sein zu wollen. Und sie versprach, Despoten die Stirn zu bieten.
Ihr Mann hatte Harris in seiner Rede als "joyful warrior" bezeichnet, eine "freudige Kämpferin" - und als ebendiese präsentierte sie sich auch bei ihrem Auftritt heute.
4. Ein neuer demokratischer Patriotismus
Was an allen vier Parteitagsabenden auffiel: eine neue Lust der Demokraten an einem demonstrativem Patriotismus. Vielfach schallten "USA, USA, USA!"-Rufe durch die Arena; die Delegierten schwenkten Pappschilder mit Aufschrift USA und US-Flaggen; manche kamen in den Flaggenfarben gekleidet.
Es ist offensichtlich: Die Demokraten wollen den Patriotismus nicht mehr so einfach den Republikanern überlassen, die sich unter Trump als die einzigen wahren Patrioten verstehen.
Aber: Sie definieren die Liebe zum Land anders. Nicht, wie Trump, als "America first", sondern in Verbindung mit Vielfalt und Empathie füreinander. Das Versprechen: Wir lassen niemanden zurück.
Delegierte mit Flaggen: Ein neuer demokratischer Patriotismus auf dem Parteitag.
5. Das Trauma von 2016 und die Vorsicht von heute
Die Demokraten sind im Aufwind, der Honeymoon für Harris geht weiter. In den Umfragen legte sie zuletzt zu, im zurückliegenden Monat hat sie viermal so viele Spenden gesammelt wie Trump - und Parteitage geben traditionell einer Partei immer noch einmal neuen Aufwind.
Dennoch warnten etliche Redner während des Parteitags vor zu viel Siegeszuversicht, so wie Michelle Obama: "Egal, wie gut wir uns heute, morgen oder übermorgen fühlen, es wird ein harter Kampf werden."
Und Bill Clinton erinnerte an die knappe und unerwartete Niederlage seiner Frau Hillary gegen Trump 2016: "Wir haben mehr als einen Wahlsieg durch die Finger rutschen lassen, obwohl wir siegessicher waren, weil wir uns haben ablenken lassen." Das soll nicht noch einmal passieren.
Doch Harris' Rolle in diesem Wahlkampf ist eine andere: Sie soll Zuversicht verbreiten, Aufbruch und den Glauben an eine bessere Zukunft vermitteln - und das hat sie mit dieser Rede erfolgreich bedient.