Die Folgen von 9/11 Das Sterben geht weiter
Mit dem Einsturz der Twin Towers am 11. September 2001 war das Sterben noch nicht beendet. Auch nach den Terroranschlägen von New York verloren viele Helfer ihr Leben - wegen giftiger Dämpfe am Ground Zero. Andere leiden bis heute.
Die Flugzeuge, die in das Word Trade Center rasen, die einstürzenden Türme, die Auftritte der Politiker zwischen Trümmern - diese Bilder gingen um die Welt. Aber was sich in den Stunden und Tagen danach am Ground Zero abspielte, haben nur die Helfer gesehen, die vor Ort waren. John Feal war einer von ihnen. Er habe sich über die vergangenen 20 Jahre antrainiert zu verdrängen, was er gesehen habe, berichtet er - denn "niemand ist darauf vorbereitet, eines Morgens aufzuwachen und so etwas zu sehen".
Chaos, Zerstörung, Leichenteile zwischen den Trümmern, verstörte Menschen auf der Suche nach Angehörigen. Viele der rund 100.000 Helfer leiden noch immer unter dem, was sie gesehen haben. Und unter dem, was sie eingeatmet haben, sagt der Mediziner Michael Crane. Denn die Suchtrupps und Rettungskräfte seien "praktisch ohne Schutzausrüstung in die Trümmer gegangen. Jedes Mal, wenn sie etwas hochgehoben haben, war darunter Feuer. Ihnen sind Wolken mit hochgiftigem Dämpfen buchstäblich ins Gesicht geschlagen."
Jeder, der nach den Anschlägen des 11.9.2001 Ground Zero betrat, um zu helfen, lief Gefahr, giftige Dämpfe einzuatmen - vielen wurde das erst viel später klar.
Keiner kennt die Mischung
Asbest, Glasfasern, Dioxine, Blei, Schwefelsäure - die genaue Mischung der eine Million Tonnen Schutt und Staub in der Luft und auf den Straßen Manhattans kennt niemand, wohl aber die Folgen. Husten, Atemnot, Schmerzen in der Brust waren der Anfang. Schwere psychische Erkrankungen kamen hinzu. Inzwischen werden allein 68 verschiedene Krebsarten auf die "9/11"-Gifte zurückgeführt. Crane spricht von einem "brennenden Cocktail unterschiedlichster Gifte". Gefährlich daran sei: Auch viele Jahre später könnten dadurch noch Krankheiten ausbrechen.
Crane ist stellvertretender Direktor des Word Trade Center Programs. Darin werden rund 80.000 Menschen, die in den Tagen und Wochen nach den Anschlägen am Ground Zero gearbeitet haben, medizinisch betreut und engmaschig untersucht. Es seien ausschließlich chronisch Kranke, berichtet Crane - "diese Menschen werden bis zum Ende ihres Lebens Symptome haben". Viele könnten im Rahmen des Programms zumindest behandelt werden, auch manche Krebspatienten. Aber natürlich würden auch viele Menschen sterben, und das sei tragisch.
Auch ein Regierungsversagen?
Schätzungen zufolge sind inzwischen fast so viele Menschen an den Spätfolgen gestorben wie durch die Anschläge selbst. Allein er habe schon 187 Beerdigungen besucht, sagt John Feal, der selbst nur knapp dem Tod entkam. Durch ein herabstürzendes Trümmerteil wurde er als Helfer am Ground Zero schwer verletzt. Die meisten Menschen glaubten, hat er festgestellt, dass nur durch die Terroristen unschuldige Menschen getötet wurden. "Aber es sind Tausende weitere gestorben, weil unsere Regierung versagt hat."
Er selbst musste lange kämpfen, um überhaupt als Opfer anerkannt zu werden. Danach gründete er eine Stiftung für betroffene Ersthelfer und machte in Washington Druck, damit der 9/11-Hilfsfonds weiter mit Geld ausgestattet wird. Es ist ein Kampf, dem sich auch Jon Stewart, der Ex-Moderator der Daily Show, anschloss. Sein Wutausbruch 2019 vor dem US-Kongress ist legendär:
Ihr ignoriert die Menschen. Eure Gleichgültigkeit nimmt ihnen das Wertvollste, das sie noch haben: Zeit. Sie haben ihren Job gemacht mit Mut, Würde und Bescheidenheit. Und jetzt macht Euren Job!
Das Geld fließt weiter
Die Abgeordneten taten es. Der Entschädigungsfonds und auch das medizinische Programm sind jetzt bis 2092 finanziell abgesichert.
Und das, sagt dessen stellvertretender Direktor Crane, sei auch dringend notwendig, es gebe die Sicherheit, die Menschen weiter begleiten zu können. Denn das Leiden geht auch 20 Jahre nach dem 11. September 2001 weiter. Und: "Es wird nie der Punkt kommen, an dem man sagen kann: Jetzt wird niemand mehr krank, jetzt passiert nichts mehr."