Beschluss eines US-Gerichts Zulassung für Abtreibungspille ausgesetzt
Ein US-Bundesrichter in Texas hat die Zulassung des Abtreibungsmedikaments Mifepriston ausgesetzt. Das könnte Folgen für das ganze Land haben. Der Justizminister kündigte Berufung an. Wird es ein Fall für das Oberste Gericht?
Ein Bundesgericht im US-Staat Texas hat die Zulassung des Abtreibungsmedikaments Mifepriston in den USA per einstweiliger Verfügung ausgesetzt. Der am Freitag erlassene Beschluss soll allerdings erst in sieben Tagen in Kraft treten, hieß es in dem Gerichtsbeschluss. Der für die Zulassung von Medikamenten zuständigen Behörde müsse die Möglichkeit gegeben werden, Berufung einzulegen.
US-Justizminister Merrick Garland teilte umgehend mit, sein Ministerium sei mit der Entscheidung überhaupt nicht einverstanden und werde Berufung dagegen einlegen. Auch US-Präsident Joe Biden ließ wissen, dass seine Regierung gegen den Beschluss vorgehen werde. Er kritisierte die Entscheidung des Gerichts als "weiteren beispiellosen Schritt", der Frauen grundlegende Freiheiten raube und ihre Gesundheit gefährde.
Vizepräsidentin Kamala Harris erklärte, das Urteil "bedroht die Rechte von Frauen im ganzen Land". Die Entscheidung untergrabe die Fähigkeit der US-Arzneimittelbehörde FDA, sichere und wirksame Medikamente "auf der Grundlage der Wissenschaft und nicht der Politik" zuzulassen.
Abtreibungsgegner hatten geklagt
Mifepriston ist eines von zwei Medikamenten, die in den USA üblicherweise zusammen für den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch eingesetzt werden. Nach Angaben der US-Arzneimittelbehörde wurde die Pille seit ihrer Zulassung im Jahr 2000 von mehr als 5,6 Millionen Frauen genutzt. In weniger als 1500 Fällen habe es Komplikationen gegeben, ohne dass ein Zusammenhang zu Mifepriston habe hergestellt werden können. Sollte die Pille die Zulassung verlieren, würde das auch für Staaten gelten, in denen Abtreibung erlaubt ist.
Gegen die Zulassung des Medikaments geklagt hatten Abtreibungsgegner. Das Urteil in Texas wird als wichtigster Richterspruch im Kampf um das Recht auf Abtreibung in den USA gesehen, seit das Oberste Gericht im Juni in einer historischen Entscheidung das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt hatte.
Laut dem auf reproduktive Gesundheit spezialisierten Guttmacher Institut werden mehr als die Hälfte aller Abtreibungen in den USA medikamentös durchgeführt. Das Verbot erschwere den Zugang zu einem solchen Eingriff, warnten Kritiker.
Gegensätzliche Entscheidung in Washington
Außerdem will das Justizministerium eine Entscheidung aus dem Bundesstaat Washington prüfen. Nur eine Stunde nach dem Richterspruch in Texas hatte laut einem Bericht der "New York Times" ein anderes Bundesgericht im Bundesstaat Washington eine gegensätzliche Entscheidung erlassen. Die Behörden sollten keine Änderungen vornehmen, die den Zugang zu der Abtreibungspille einschränkten, verfügte Richter Thomas O. Rice, der von Ex-Präsident Barack Obama ernannt worden war. Er folgte damit weitgehend einer Forderung von 17 US-Staaten und dem Hauptstadtbezirk District of Columbia, wo Demokraten geklagt hatten, um den Zugang zum Mittel zu schützen.
Landet der Fall vor dem Obersten Gerichtshof?
Das Recht auf Abtreibung ist in den USA eines der umstrittensten politischen Themen. Vor allem die religiöse Rechte und weite Teile der republikanischen Partei versuchen seit Jahrzehnten, dieses Recht einzuschränken oder gar abzuschaffen. Der Richter im aktuellen Fall, Matthew Kacsmaryk, wurde von Ex-Präsident Donald Trump ernannt.
Kritiker fürchten, das Urteil könne die Tür für weitere Verbote von Abtreibungsmedikamenten oder sogar des Corona-Impfstoffs öffnen. Beobachter gehen davon aus, dass der Fall vor dem Obersten Gerichtshof der USA landen wird.
Im vergangenen Juni hatte der Oberste Gerichtshof des Landes das landesweite Grundrecht auf Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft - ein Urteil, das ein politisches Erdbeben auslöste. Mit der Entscheidung des Supreme Court bekamen Bundesstaaten das Recht, Abtreibungen massiv zu beschränken oder ganz zu verbieten. Zahlreiche konservative Bundesstaaten haben dies bereits getan.