Polizeigewalt in den USA Prozess um Tod von George Floyd beginnt
Der gewaltsame Tod von George Floyd ist knapp zehn Monate her - nun hat in Minneapolis der Prozess gegen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin begonnen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind groß.
Fast ein Jahr nach der Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz hat in den USA der Prozess gegen den weißen Hauptangeklagten Derek Chauvin begonnen.
Dem früheren Polizisten wird unter anderem Mord zweiten Grades ohne Vorsatz vorgeworfen, worauf im Bundesstaat Minnesota bis zu 40 Jahre Haft stehen. Nach deutschem Recht entspräche dieser Anklagepunkt eher dem Totschlag. Chauvin muss sich zudem wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, was mit zusätzlich 10 Jahren Haft geahndet werden könnte.
Das Gericht in Minneapolis begann mit Anträgen zum Ablauf des Verfahrens. Den eigentlich vorgesehenen Anfang der zeitaufwendigen Auswahl der zwölf Geschworenen und vier Ersatzkandidaten verschob Richter Peter Cahill auf Dienstag.
Hauptverfahren soll Ende März beginnen
Für die Auswahl der Geschworenen sind drei Wochen angesetzt. Dafür befragen Staatsanwaltschaft und Verteidigung Dutzende Menschen, die als mögliche Juroren vorgeladen wurden. Beide Seiten versuchen dabei, diejenigen Kandidaten auszusondern, die eine Haltung gegen sie haben könnten, und auf diese Weise eine Jury zu formen, die offen für ihre Argumente ist.
Erst danach beginnen die inhaltlichen Verhandlungen. Das Hauptverfahren soll am 29. März starten. Für einen Schuldspruch ist ein einstimmiges Urteil der Jury notwendig.
Streit um zusätzlichen Anklagepunkt
Cahill lehnte heute das Ansinnen von Staatsanwalt Matthew Frank ab, den Beginn des Prozesses zu verzögern, um eine Entscheidung einer höheren Instanz abzuwarten. Chauvins Anwalt Eric Nelson hatte die Verzögerung abgelehnt.
Bei dem Streit ging es um die Zulassung eines zusätzlichen Anklagepunkts. Cahill hatte ursprünglich den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, Chauvin auch Mord dritten Grades zur Last zu legen. Das ist leichter nachzuweisen, dafür ist eine mögliche Gefängnisstrafe kürzer. Sie umfasst 25 Jahre Haft. Ein Berufungsgericht hatte aber am Freitag erklärt, dass der Richter die Anklage zulassen sollte.
Skepsis, ob es zu einer Verurteilung kommt
Floyds Onkel Selwyn Jones zeigte sich vor Prozessauftakt skeptisch, ob Chauvin verurteilt wird. "Natürlich möchte ich, dass er schuldig gesprochen wird", sagte Jones der Nachrichtenagentur AFP.
Doch "mit technischen Fragen" könne das System manipuliert werden. "Das haben wir in der Vergangenheit schon oft gesehen." Verurteilungen wegen Polizeigewalt sind in den USA sehr selten.
"I can't breathe"
Floyds auf einem Handyvideo festgehaltener Tod am 25. Mai 2020 hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt und beispiellose Proteste ausgelöst. Chauvin hatte dem wegen Falschgeld-Vorwürfen festgenommenen 46-Jährigen rund neun Minuten lang auf offener Straße das Knie in den Nacken gedrückt, obwohl Floyd mehr als zwanzig Mal klagte, er bekomme keine Luft.
Floyds Satz "I can't breathe" - "Ich kann nicht atmen" oder "Ich bekomme keine Luft" - wurde zu einem Motto der Black-Lives-Matter-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze.
Der Prozess gegen Chauvin erhält deshalb enorme Beachtung. Er findet wegen der Gefahr von Ausschreitungen unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt. Das Gerichtsgebäude in Minneapolis wurde mit Zäunen, Betonbarrieren und Stacheldraht gesichert. Neben der Polizei ist auch die Nationalgarde im Einsatz. Hunderte Demonstranten versammelten sich in der Nähe des Gerichts.