Neue Rassismus-Debatte in den USA Teenager verwechselt Adresse - angeschossen
In Kansas City ist ein schwarzer Teenager angeschossen worden, nachdem er an der falschen Tür geklingelt hatte. Der weiße Schütze wurde zunächst freigelassen, nun soll er doch angeklagt werden.
Protest auf den Straßen von Kansas City und auch in den sozialen Netzwerken. Prominente wie Hollywood-Schauspielerin Halle Berry fordern Konsequenzen im Fall Ralph Yarl.
Der 16-Jährige wollte am vergangenen Donnerstag seine jüngeren Geschwister von einem Besuch bei Freunden abholen. Dabei verwechselte er den Straßennamen und klingelte an der Tür eines 85-jährigen weißen Mannes - der schoss auf den Jugendlichen.
Für Anwalt Benjamin Crump ist es ein Wunder, dass Ralph noch am Leben ist. Er sagte dem Fernsehsender CNN: "Er war dabei an der Tür zu klingeln. Das war alles. Und der Hausbewohner schießt durch die Tür, trifft ihn in den Kopf. Und schießt dann noch einmal, zielt auf die Brust. Wäre sein Arm nicht im Weg gewesen, hätte die Patrone seinen Brustkorb getroffen."
"Das ist inakzeptabel!"
Die Polizei befragte den Schützen, lässt ihn nach kurzer Zeit aber wieder frei. Die Ermittler waren zunächst unsicher, wie sie mit dem Fall umgehen sollen. Denn im Bundesstaat Missouri gilt seit ein paar Jahren ein Gesetz, das es Menschen erlaubt, sich mit Gewalt zu wehren, wenn sie sich in ihrem Zuhause bedroht fühlen.
Sollte das in diesem Fall gelten, wäre es für Anwalt Crump ein Skandal: "Sollen wir als Gesellschaft jetzt akzeptieren, dass wenn ein schwarzer Paketbote an deiner Tür klingelt, dass ein Weißer dann auf ihn schießen kann und sagt: 'Ich dachte wegen seiner Hautfarbe, dass er mich ausrauben will.' Das ist inakzeptabel!"
Ein solches stand-your-ground-law gibt es in mehreren US-Bundesstaaten. Eine internationale Studie, unter anderem von der Universität Oxford, aus dem vergangenen Jahr kommt zu dem Ergebnis: Seit der Einführung steigt die Zahl der getöteten Menschen in diesen Bundesstaaten deutlich an.
Doch noch eine Anklage
Vier Tage nach den Schüssen auf den 16-Jährigen und einigem Protest, erhob der zuständige Staatsanwalt Zachary Thompson dann doch Anklage wegen Körperverletzung und bewaffneter krimineller Handlung. Er betonte: "Wir verstehen, wie frustrierend das Ganze ist. Aber ich versichere ihnen, dass das Justizsystem seine Arbeit machen wird."
Thompson geht davon aus, dass bei den Schüssen Rassismus eine Rolle gespielt hat.
Staatsanwalt Thompson geht davon aus, dass Rassismus eine Rolle bei den Schüssen spielte.
Ein Anruf vom Präsidenten
Der Fall wird inzwischen auch in der Politik diskutiert. US-Präsident Joe Biden hat mit dem 16-Jährigen telefoniert. Der Bürgermeister von Kansas City, der Demokrat Quinton Lucas, wünscht sich, dass das Ganze nicht nur für den Schützen Konsequenzen hat.
Er sagte dem Sender MSNBC: "Ich hoffe, dass es eine Verurteilung gibt. Und darüber hinaus hoffe ich, dass manche Politiker, die es zugelassen haben, dass Waffen überall benutzt werden können, endlich einsehen, was ihr Fetisch für dieses Waffenrecht angerichtet hat."
Dem angeschossenen 16-Jährigen geht es körperlich inzwischen wieder besser. Er konnte aus dem Krankenhaus entlassen werden.