Waldbrände Nordkanadas Hauptstadt muss evakuiert werden
Kanada erlebt derzeit die schlimmste Waldbrandsaison seit Beginn der Aufzeichnung. Eine Fläche, so groß wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ist bereits abgebrannt. Nun werden die Feuer zur Gefahr für die größte Stadt in den Nordwest-Territorien.
Die Nachricht kam am späten Abend: Yellowknife, die Hauptstadt der kanadischen Nordwest-Territorien, soll nun auch evakuiert werden. Mit 20.000 Einwohnern ist sie die mit Abstand größte Stadt im Gebiet, das insgesamt etwa 45.000 Einwohner hat. Die Menschen sollen sich langsam auf den Weg machen, das Feuer ist nach Angaben der Behörden noch rund 17 Kilometer vor der Stadt. Bis Freitagmittag sollen aber alle weg sein.
So viel Zeit hatten Michael St. Amour und sein Ort Enterprise nicht: "Etwa 85 bis 90 Prozent der Gemeinde sind verschwunden", sagt der Bürgermeister der Stadt. Er habe angefangen, den Anwohnern diese schlechte Nachricht zu überbringen. "Es ist schwer, denn wir sind uns in der Stadt sehr nahe. Doch solange es uns gut geht und wir atmen, werden wir alles in Ordnung bringen."
Brandherde in den Northwest Territories in Kanada
"Es sah aus wie Armageddon"
St. Amour ist noch immer völlig überwältigt von dem, was passiert ist. Der Ort, für den er zuständig ist, liegt in Schutt und Asche - nachdem dort am Sonntag eine Feuerwalze durchgerauscht ist. Mehr als 100 Menschen mussten ganz schnell in Sicherheit gebracht werden. Für viele von ihnen ist das ein traumatisches Erlebnis, wie sie im kanadischen Sender CBC erzählen: "Als wir Enterprise verließen, konnte man sehen, wie es immer dunkler wurde. Es sah aus wie Armageddon", erinnert sich Noeline Villebrun.
Und Ashley Gresl, deren Eltern in Sicherheit gebracht wurden, erinnert sich: "Man kann hören, dass alle wirklich in Panik waren. Und meine Mutter hat versucht, meinen Vater durch die Flammen hindurch zu koordinieren."
Region im Ausnahmezustand
Bereits am Dienstagabend hatten die Behörden für die ganzen Nordwest-Territorien den Ausnahmezustand ausgerufen. Das gibt ihnen die Chance, anders zu agieren, Hilfe aus Ottawa anzufordern und kurzfristig Evakuierungen anzuordnen - wie jetzt für Yellowknife. Denn die Lage verändert sich schnell und das Gebiet selbst ist eine große Herausforderung. Die meisten der betroffenen Dörfer liegen teils Hunderte Kilometer auseinander, dazu sind einige Straßen bereits beschädigt. Augenzeugen berichten von brennendem Asphalt. Die Evakuierungen müssen also per Militärflugzeug erfolgen.
Es ist eine Region im völligen Ausnahmezustand, berichtet Garth Carman, der sich mit seiner Frau Linda bereits vor ein paar Tagen von Hay River aus in Sicherheit gebracht hatte: "Das Schlimmste war, dass das Internet, die Mobiltelefone und das Festnetz ausfielen, sodass das gesamte Gebiet überhaupt keine Möglichkeit hatte, zu kommunizieren." Man konnte etwa auch kein Geld bei einer Bank abheben und keine Lebensmittel oder Benzin kaufen.
Insgesamt sollen nun etwa 26.000 Menschen evakuiert werden. Dafür sind auch die Streitkräfte im Einsatz und unterstützen mit Militärfliegern und mit Soldaten im Gelände. Der kleine Ort Hay River am Great Slave Lake ist zur Drehscheibe geworden, von dort aus starten die Evakuierungsflüge in die Nachbarprovinz Alberta.
Drei Evakuierungen in zwei Jahren
Viele Kanadierinnen und Kanadier erleben nicht zum ersten Mal, dass sie ihr Zuhause verlassen müssen. Auch Garth und Linda nicht: "In den vergangenen zwei Jahren wurden wir bereits zweimal aus Hay River evakuiert. Und dies ist unsere dritte vollständige Evakuierung. Es geht alles so schnell", sagt Linda.
Dabei entstehen dramatische Situationen: "Als Hay River evakuiert wurde, waren Linda und ich in getrennten Fahrzeugen. In dem Durcheinander gingen wir verloren", erinnert sich Garth. "Und wir verbrachten drei Tage damit, uns gegenseitig zu suchen." Das Paar ist nun in Valleyview in der Provinz Alberta untergekommen.