Bilanz des G20-Gipfels Szenen einer neuen Weltordnung in Rio
Die bessere Bekämpfung der Hungers und Ansätze zur Besteuerung von Superreichen - dies hat den G20-Gipfel in Rio geprägt. Wichtige Themen des globalen Nordens spielten nur eine Nebenrolle.
Vom Zuckerhut zum Kap der Guten Hoffnung - das sind nicht nur rund 6000 Kilometer Luftlinie, die zwei der schönsten Plätze der Erde verbinden. Es hat auch eine besondere Symbolik, wenn die G20-Präsidentschaft mit dem heutigen Tag von Brasilien nach Südafrika wechselt.
"Das ist ein ganz bemerkenswertes Zeichen. Es wird das vierte Mal sein, dass eines der Schwellenländer die Präsidentschaft der G20 hat. Nach Indonesien, Indien, Brasilien wird es Südafrika sein. Das zeigt ein wenig, wie sich die Gewichte in der Welt verschieben", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vor seinem Abflug aus Rio de Janeiro. Dort hatte er viele Staats- und Regierungschefs getroffen, die sich als offiziell neutrale Verfechter einer multipolaren Welt verstehen.
Ukraine und Nahost sind Randthemen in Rio
Den Ukraine-Krieg wollte Gastgeber Lula da Silva am liebsten fernhalten aus Rio. Wohl nur auf Druck des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden und des womöglich ebenfalls scheidenden Bundeskanzlers Scholz hat der Krieg es in die Gipfelerklärung geschafft. Aber, genau wie der Nahost-Konflikt, so vage wie nur irgend möglich.
Dies sei das Abbild eines langsamen Machtwechsels, sagt Paulo Velasco, Professor für internationale Beziehungen an der Bundesuni von Rio de Janeiro.
In Wirklichkeit sind die Visionen und Interpretationen der Kriege unter den Mitgliedern der G20 sehr unterschiedlich. So wurde eine direkte Verurteilung Russlands oder sogar eine direkte Verurteilung Israels ganz klar vermieden.
Nur ein Minimalkonsens beim Klima
Vermieden wurde allerdings auch jeglicher Fortschritt im Kampf gegen den Klimawandel. Lediglich den Minimalkonsens haben die reichsten Ländern, die für 85 Prozent der Kohlendioxidemissionen stehen, ins Abschlusspapier geschrieben. Man bekennt sich immerhin zu den Pariser Klimazielen.
Jegliche Bemühungen China, als weltgrößten Klima-Sünder mit zur Kasse zu bitten, ließ Staats- und Parteichef Xi Jinping offenbar an sich abperlen.
Lula setzt Zeichen
Durchgedrungen ist der brasilianische Präsident Lula mit seinem Herzensthema: dem Kampf gegen den Hunger. "Wir haben versucht, Maßnahmen voranzubringen, die konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben", so Lula. "Wir haben eine globale Allianz gegen Hunger und Armut ins Leben gerufen und eine beispiellose Debatte über die Besteuerung der Superreichen angestoßen."
Für die Beschlüsse zur globalen Allianz gegen Hunger - die erstaunlich konkret ausfällt - und die Milliardärssteuer - die vergleichsweise vage bleibt, aber immerhin eine Premiere auf der G20-Bühne feiert - erntet Gastgeber Brasilien viel Lob auch von Nichtregierungsorganisationen.
Auch von der G20-Folgepräsidentschaft kommt Zustimmung. Der südafrikanische Präsident Cyrill Ramaphosa machte deutlich: "Afrika unterstützt Brasilien bei der Bekämpfung des Hungers voll und ganz. Die Ernährungssicherheit wird eine der Prioritäten der südafrikanischen G20-Präsidentschaft sein."
Erst ohne, dann mit Biden
Wie hoch die Maßstäbe in Sachen Gruppenfoto-Organisation dann liegen werden, ließ er Ramaphosa offen. Das offizielle "Familienfoto" der G20-Staats- und Regierungschefs bleibt öffentlich am ehesten hängen. Dazu schaffte es US-Präsident Joe Biden nicht rechtzeitig.
24 Stunden - und einiges an Lachern und Häme später - wurde von den brasilianischen Organisatoren sicherheitshalber ein zweites Foto gemacht - mit dem US-Präsidenten und zugunsten der alten Weltordnung.
Im zweiten Versuch auch mit US-Präsident Biden - die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten stehen für das "Familienfoto" zusammen.