Brasilien Mindestens 22 Tote bei Polizeieinsatz
Bei einem Polizeieinsatz in einem Armenviertel in Rio de Janeiro soll es über zwölf Stunden zu Schusswechseln gekommen sein. Mindestens 22 Menschen wurden getötet. Der Gouverneur der Metropole verteidigt das Vorgehen der Einsatzkräfte.
Bei einem Polizeieinsatz in einem Armenviertel der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro ist es zu heftigen Schusswechseln gekommen. Mindestens 22 Menschen starben, wie Medien übereinstimmend berichteten.
Demnach rückten 26 Polizisten am Dienstag in den Morgenstunden in den Stadtteil im Norden der Stadt aus. Dort sollten sich führende Mitglieder des Verbrechersyndikats "Comando Vermelho" ( "Rotes Kommando") versteckt halten. Der gemeinsame Einsatz von Spezialeinheiten des Landes Rio de Janeiro und der Bundespolizei war laut Polizei lange vorbereitet worden. Die Polizei setzte auch gepanzerte Fahrzeuge sowie einen Hubschrauber ein.
Die mutmaßlichen Bandenmitglieder sollen demnach Straßensperren errichtet haben, um die Polizeikräfte zurückzudrängen. Die Schusswechsel zwischen beiden Seiten sollen über zwölf Stunden angedauert haben.
In der Nähe des Getulio Vargas-Krankenhauses, in dem bei den Schusswechseln Verletzte behandelt wurden, kam es zu Protesten gegen die mutmaßliche Polizeigewalt.
Bewohnerin tödlich verletzt
Angaben der Polizei zufolge handelt es sich bei zwölf der getöteten Personen um Kriminelle. Eine Bewohnerin des Stadtteils sei versehentlich von einer Kugel getroffen worden und starb an ihren Verletzungen. Wie die Nachrichtenagentur KNA berichtete, war die Frau 43 Jahre alt. Die Polizei beschuldigt die mutmaßlichen Syndikatanhänger, die Kugel abgefeuert zu haben, durch die die Bewohnerin ums Leben kam. Neun der Toten hätten bislang noch nicht identifiziert werden können. Mindestens fünf Menschen seien bei dem Schusswechsel verletzt worden.
Bei dem Einsatz seien mehrere Waffen, darunter 13 Gewehre sowie vier Pistolen, zwölf Handgranaten und eine große Menge an Drogen sichergestellt worden, teilte die Polizei weiter mit.
Einsätze während Pandemie eingeschränkt
Der Gouverneur von Rio de Janeiro, Cláudio Castro, verteidigte den Einsatz der Polizei auf Twitter. Menschen, wie die Mitglieder der Verbrechersyndikate, wollten "die Zukunft der Menschen in Rio de Janeiro zerstören", schrieb er und betonte: "Wir werden keine Anarchie in unserem Staat zulassen."
Die Polizei hingegen erhob Vorwürfe gegen den Obersten Gerichtshof des Landes. Dieser hatte im Juni 2020 wegen der Corona-Pandemie entschieden, Polizeieinsätze in Armenvierteln einzuschränken, um eine Ausbreitung des Virus einzudämmen. Dadurch hätten mehr Kriminelle die Chance genutzt, sich in diesen Stadtteilen zu verstecken und dortige Drogen- und Schutzgeschäfte aufzubauen.
Trauriger Rekord an tödlichen Einsätzen
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte den Polizeieinsatz. Es gebe keine passenden Worte für die Absurditäten, die sich in Rio zutrügen, sagte Jurema Werneck, Direktorin der Organisation in Rio de Janeiro.
In keinem anderen Land der Welt kommen so viele Menschen bei Polizeieinsätzen ums Leben wie in Brasilien. So wurden vor rund einem Jahr in der Favela Jacarezinho mindestens 28 Menschen getötet - laut Polizei alles Mitglieder krimineller Banden. Im November wurden neun Leichen in einem Mangrovengebiet an Rios Peripherie gefunden. Im Februar kamen acht Personen bei einem Polizeieinsatz ebenfalls in Vila Cruzeiro ums Leben.
Einer gemeinsamen Statistik des Nachrichtenportals "G1", des Brasilianischen Forums für öffentliche Sicherheit und der Universität von São Paulo zufolge töteten Sicherheitskräfte im vergangenen Jahr landesweit mehr als 6000 Menschen.