Argentinien Rückkehr des Todesfliegers
An die 30.000 Menschen wurden von der Militärdiktatur in Argentinien bis 1983 ermordet. Zahllose Gegner der Junta wurden lebend aus Flugzeugen geworfen. Nun ist eines dieser Flugzeuge nach Argentinien zurückgekehrt.
Es ist ungewöhnlich warm an diesem Wintertag in Buenos Aires. Der Himmel ist strahlend blau. Es ist der Tag, den Mabel Careaga so sehr herbeigesehnt - und vor dem sie sich so sehr gefürchtet hat.
Der Grund dafür steht in einem Hangar auf dem Militärflugplatz Aeroparque. "Wer dieses Ding sieht, soll nicht ein Flugzeug sehen, sondern die Geschichte eines Genozids", sagt Careaga. "Ich kann es nicht anschauen. Alles, was ich sehe, ist das Gesicht meiner Mutter und der anderen Mütter."
Denn am 14. Dezember 1977 wurde Careagas Mutter aus großer Höhe über dem Rio de la Plata lebend aus der Propellermaschine des Typs SC-7 Skyvan gestoßen. Viele Tage später wurde ihr zerschmetterter Körper an Land gespült.
Militärdiktatur ermordete 30.000 Menschen
Rund 200 dieser sogenannten Todesflüge gab es während der argentinischen Militärdiktatur zwischen 1976 und 1983. An die 30.000 Menschen wurden ermordet. Viele Tote wurden nie gefunden.
Auch Carlos Oviedos Schwester nicht. Sie war 24 Jahre alt und dabei, ihr Medizinstudium abzuschließen. "Der Todesflug fand am 14. Dezember statt, das war ein Mittwoch um 21.30 Uhr", erzählt Oviedo.
"Meine Freunde, die in der radikalen Bewegung aktiv waren, erzählten mir, dass meine Schwester aus dem Flugzeug geworfen worden war." Seinen Eltern habe er das verheimlicht. Erst viele Jahre später hätten sie es durch einen offiziellen Bericht erfahren.
Carlos Ovideos Schwester war 24 Jahre alt, als sie aus dem Flugzeug geworfen wurde.
Piloten kamen vor Gericht
Bei den Todesmaschinen handelte es sich um Turboproptransporter, deren Heckklappe während des Flugs geöffnet werden kann. In detektivischer Kleinarbeit haben Hinterbliebene der Opfer der Todesflüge zuerst die damals eingesetzten Flugzeuge ausfindig gemacht.
Mittels archivierter Einsatzbefehle und Logbücher sind sie schließlich auch den Piloten des Flugs vom 14. Dezember 1977 auf die Schliche gekommen. Im Jahr 2007 kamen die beiden Piloten vor Gericht. Einer starb während des Prozesses, der andere wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die Menschenrechtsaktivistin Miriam Lewin war maßgeblich am Aufspüren der Todesmaschine vom 14. Dezember beteiligt. "Es macht mich sehr betroffen, wenn ich darüber nachdenke, wie meine geliebten Freunde bewusstlos in diesem furchtbaren Flieger lagen", sagt Lewin.
"Haben heute Politiker, die das leugnen"
Wer in eine dieser Todesmaschinen gebracht wurde, wurde vorher betäubt. Pablo Vernas Vater war einer der Schergen, die den zum Tode Geweihten Beruhigungsmittel verpassten.
Gemeinsam mit anderen Söhnen und Töchtern willfähriger Helfer der Diktatur will Verna aufklären: "Unser Ungehorsam, dass wir nun reden, soll das Gelübde des Schweigens brechen, das die Verantwortlichen getroffen haben. Noch ist Zeit, dass die betroffenen Familien Frieden finden können."
Tatsächlich dränge die Zeit, sagt Oviedo, der zwei Geschwister während der Diktatur verloren hat. Denn es gebe auch heute Politiker in Argentinien, die das Grauen, das die Militärs angerichtet haben, leugnen. "Und Präsident oder Vizepräsident sein können. Das ist das Schreckliche daran", ergänzt Oviedo.
Die aus Florida nach Buenos Aires überführte SC-7 Skyvan soll helfen, die Erinnerung an das Grauen wachzuhalten. Sie wird im Museum ausgestellt.