Braunalgen im Atlantik Riesiger Algenteppich bedroht Ökosystem
Er reichte von Mexiko bis nach Westafrika: Ein riesiger Algengürtel breitete sich im vergangenen Jahr auf der Meeresoberfläche aus. Die Folgen sind noch nicht absehbar, sagen Meeresforscher.
"Die Ozean-Chemie muss sich verändert haben," sagt Dr. Chuanmin Hu von der University of South Florida. Anders ließe sich das extreme Wachstum der Braunalge Sargassum in den vergangenen Jahren nicht erklären, so der Professor für Optische Ozeanographie. Hu und sein Team haben Daten aus den Jahren 2000 bis 2018 analysiert und jetzt im Fachmagazin "Science" veröffentlicht.
Die Forscher hatten die Daten mit Hilfe eines NASA-Satelliten aufgenommen. Da Braunalgen neben dem grünen Fotosynthesepigment Chlorophyll noch das braune Fucoxanthin besitzen, kann man sie auch aus dem Weltall anhand ihres unverwechselbaren Farbspektrums gut von anderen Algen unterscheiden.
Explosionsartige Ausbreitung seit 2011
Die Ergebnisse der Forscher sind deutlich: Vor dem Jahr 2011 fanden sich die freischwimmenden Sargassum-Algen vor allem rund um den Golf von Mexiko und die Sargassosee östlich von Florida. Seit dem Jahr 2011 hingegen hat sich die Pflanze auch in anderen Gebieten wie dem zentralen Atlantik ausgebreitet. Im vergangenen Jahr schwammen schließlich über 20 Millionen Tonnen der Braunalge auf der Ozeanoberfläche. Der Algengürtel reichte dabei vom Golf von Mexiko bis zur westafrikanischen Küste.
Eine Vorhersage, wie sich die Ausbreitung der Algen in den nächsten Jahren entwickeln wird, sei schwierig, so Hu. Aber: "Wenn man sich die Daten aus den letzten 20 Jahren anschaut, ist es wahrscheinlich, dass dieser Gürtel in Zukunft Normalität werden wird."
Großes Nährstoffangebot sorgt für viele Algen
Die schwimmenden Algen bilden Teppiche, die zwischen Januar und Juli anwachsen. Grund dafür ist ein vermehrtes Nährstoff-Angebot im Ozean, so die Forscher.
Dies entstehe wahrscheinlich durch zwei Faktoren: Zum einen steigen im Winter tiefliegende Wasserschichten vor der westafrikanischen Küste auf und bringen dabei Nährstoffe an die Oberfläche. Aber auch der Mensch spiele vermutlich eine Rolle: Durch den Amazonas werden im Sommer und Frühling Nährstoffe in den Ozean gespült. Durch die vermehrte Abholzung und den Einsatz von Düngemitteln ist die Nährstoffmenge, die in den Ozean transportiert wird, seit 2010 gestiegen. Das könnte zu optimalen Bedingungen für das Algenwachstum geführt haben. Eindeutig belegt ist der Zusammenhang von menschlichem Handeln und dem explosionsartigen Wachstum der Braunalge allerdings noch nicht.
Ein Fischer läuft bei Playa Del Carmen (Mexiko) über einen Algenteppich zu seinem Boot.
Eiablage wird verhindert
Das eigentliche Problem ist jedoch nicht die Alge, sondern ihre extreme Ausbreitung. Unter normalen Bedingungen haben die schwimmenden Matten aus Braunalgen eine wichtige Rolle im Ökosystem des offenen Ozeans. Viele Tiere suchen darin Schutz - zum Beispiel Schildkröten, Krabben, Fische oder Vögel. Außerdem produzieren die Algen wie andere Pflanzen Sauerstoff durch Photosynthese.
Wenn sich der Seetang jedoch zu stark vermehrt, schränkt er die Tiere in ihrer Bewegung und Atmung ein. An den Küsten verhindern die angeschwemmten Matten die Eiablage. Tote Algen sinken außerdem auf den Grund, wo Korallen und andere Seegräser in ihrem ökologischen Gleichgewicht gestört werden.
Tourismus leidet ebenfalls
Auch für den Menschen haben die riesigen Algenmengen negative Folgen: Aus dem verrottenden Seetang am Strand entweichen Schwefelwasserstoffe, die unangenehm nach faulen Eiern riechen. Für Länder, deren Wirtschaft stark vom Tourismus geprägt ist, kann das zu einem Problem werden. Barbados zum Beispiel hat wegen der Braunalgen-Plage im vergangenen Jahr den nationalen Notstand ausgerufen.
Die Grafik zeigt das Anwachsen des Algenteppichs zwischen 2011 und 2018.