Urteil gegen Rebellenführer Ugandas Wunden sind schwer zu heilen
Die ugandische Rebellenmiliz LRA entführte, mordete und vergewaltigte Zehntausende. Und doch verfolgen die Überlebenden den Prozess gegen den Kommandanten Ongwen mit unterschiedlichen Empfindungen.
"Meine Mutter und viele andere waren im Dorf", erinnert sich Vincent Oyet. Als er einen Tag nach dem Rebellenangriff am 19. Mai 2004 nach Lukodi in Nord-Uganda zurückkam, standen viele Häuser nicht mehr, war sein altes Leben vorbei. "Ich fand viele Ermordete, manche in ihren Häusern verbrannt, andere verletzt oder im Krankenhaus. Ein schlimmer Tag für mich und für diese Gemeinschaft."
Oyet steht vor einer kleinen, schmucklosen Säule mit einem Kreuz. Fast 50 Namen stehen darauf. Vor allem Alte, die nicht fliehen konnten oder kleine Kinder, sagt Oyet leise und kämpft mit den Tränen. Immer noch, fast 17 Jahre danach.
Er zeigt das Haus der Erinnerung. Die Geschichte einzelner Ermordeter ist hier zu sehen, ihre Bilder - aber auch das Bild desjenigen, der wahrscheinlich den Angriff leitete: Dominic Ongwen. Die "Lord's Resistance Army" (LRA) hatte Ongwen 1990 entführt, als Zehnjährigen, auf dem Weg zur Schule. In ihren Reihen sollte er fortan kämpfen und aufsteigen - durch Folter und Mord.
Museveni vertrieb die LRA - sie mordete weiter
Die 1990er- und beginnenden 2000er-Jahre waren die Zeit, in denen Gründer Joseph Kony die LRA zu einer gefürchteten Rebellentruppe machte, die den neuen Präsidenten Ugandas, Yoweri Museveni, aus dem Amt drängen wollte. Dessen Armee schaffte es bis 2006, die LRA aus dem Land zu vertreiben. Sie mordete sich von da an weiter durch die Region: DR Kongo, Zentralafrikanische Republik, Süd-Sudan - die LRA verbreitete überall Schrecken, mehr als 1,8 Millionen Menschen flohen nach UN-Angaben durch den Konflikt.
Inzwischen ist die LRA nur noch ein Schatten ihrer selbst, Kony aber immer noch nicht gefasst. Ongwen soll einer der wichtigsten und besonders brutalen Kommandeure gewesen sein, bevor er sich 2015 ergeben musste. "Das Internationale Strafgericht hat uns darüber informiert, das Ongwen hinter dem Massaker in Lukodi stecken soll", sagt Oyet. Er selbst war mehrfach von der LRA entführt worden - das erste Mal im Alter von 15 Jahren. Es gelang ihm aber immer wieder, zu fliehen.
Dominic Ongwen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag.
"Wir wurden entführt"
Ongwens Spur der Verwüstung hat er kennengelernt, nicht aber ihn selbst. Anders als Evelyn Amony. Entführt als 12-Jährige wurde sie mit LRA-Chef Kony verheiratet - als eine seiner 27 Frauen. Kontakt zu Ongwen persönlich hat sie, als sie bei der Durchquerung eines Flusses von der Strömung mitgerissen wird: "Dominic und einige andere haben mich gerettet", sagt sie.
Evelyn Amony an einer Felsböschung nahe der nordugandischen Stadt Gulu.
Nahe der nordugandischen Stadt Gulu - damals ein Zentrum der Rebellentätigkeit - sucht sie oft eine Felsböschung auf. Einen Ort, der sie daran erinnert, wie sie ihr erstes Kind verloren hat. Bei einem Angriff der ugandischen Armee auf die LRA-Rebellen sei die Vierjährige womöglich aufgegriffen und von der Armee mitgenommen worden, glaubt Amony. Ein Jahr später kann sie fliehen. Seitdem sucht sie ihre Tochter - die Hoffnung, sie doch noch zu finden, will sie nicht aufgeben.
So wie Vincet Oyet kämpft Evelyn Amony mit einer eigenen Selbsthilfegruppe dafür, dass es eine Wiedergutmachung für Heimkehrer gibt - gerade für Frauen und damals geraubte Kinder. Sie könnten doch nichts dafür, sagt Amony - und auch nicht Ongwen: "Wir sind nicht freiwillig in den Busch gegangen, wir wurden entführt."
Evelyn Amony beim Essen mit ihrer Familie.
"Ongwen war klar, was er tat", meint Oyet
Oyet sieht das anders: Ihm selbst sei es mehrfach gelungen, zu fliehen. Warum also nicht auch Ongwen? Weil der sich hochdienen wollte? Vor allem aber: "Als die Massaker geschahen, war er älter als 18. Ihm war klar, was er tat", glaubt Oyet.
Wenn er nicht für die Gemeinschaft der Rückkehrer kämpft, arbeitet Oyet heute als Lehrer. Seiner Klasse malt er den Aufbau der UN an die Tafel. "Keiner kann ohne den anderen", sagt er. Das gelte für Staaten, aber auch für seine Schulkinder: "Sie lernen, dass sie teilen müssen. Und dass jeder Frieden braucht. Sie sollen lernen, dass wir uns alle respektieren müssen."