Verfassungsreferendum in Tunesien Wahlbeteiligung nur bei 28 Prozent
Beim Verfassungsreferendum in Tunesien hat es niedrige Wahlbeteiligung gegeben. Laut Wahlbehörde gab nur rund jeder Vierte seine Stimme ab. Ersten Umfragen zufolge stimmte eine überwiegende Mehrheit für den umstrittenen Verfassungsentwurf.
Bei der Abstimmung über eine neue Verfassung in Tunesien ist die Wahlbeteiligung am Montag gering ausgefallen. Insgesamt gaben knapp 28 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wie die Obere unabhängige Wahlbehörde mitteilte.
Mit ersten Ergebnissen wird im Verlauf des Tages gerechnet. Ersten Umfragen zufolge hat eine überwiegende Mehrheit dem umstrittenen Verfassungsentwurf zugestimmt. Er soll dem Präsidenten künftig mehr Macht sichern - zulasten von Parlament und Justiz.
Die Einführung einer neuen Verfassung ist Teil eines von Präsident Kais Saied vorangetriebenen politischen Umbaus. Die neue Verfassung sieht vor, dass der Präsident unter anderem die Regierung sowie Richter ernennen und entlassen darf. Zudem soll er die Macht haben, das Parlament auflösen zu können.
Saied betrachtet Verfassung als ungültig
Bisher setzte Saied viele solcher Entscheidungen per Dekret durch und umging damit die bisherige Verfassung. Er betrachtet diese eigenen Angaben zufolge als nicht mehr gültig.
Vor einem Wahllokal im Norden der Hauptstadt Tunis sagte eine Frau, sie befürchte die Rückkehr zur Diktatur: "Ich werde Nein zu Saieds Verfassung sagen." Ein anderer Wähler sagte der Nachrichtenagentur dpa, die neue Verfassung sei der einzige Weg, um die Krise im Land zu beenden. Der Präsident selbst gab seine Stimme vor Kameras in Begleitung seiner Frau ab.
Vor exakt einem Jahr - am 25. Juli 2021 - hatte Saied den damaligen Regierungschef abgesetzt und das Parlament gezwungen, seine Arbeit auszusetzen. Später löste er das Parlament schließlich ganz auf. Der Präsident entließ zudem wegen mutmaßlicher Korruption Dutzende Richter. Das Land ist seitdem gespalten zwischen Anhängern und Gegnern dieser Schritte. Seit Monaten kommt es immer wieder zu Protesten für und gegen den Präsidenten.
Keine Kontrollinstanz für Präsidenten
Der neue Verfassungsentwurf sieht derweil keine Instanz mehr vor, die den Präsidenten kontrollieren oder ihn gar des Amtes entheben könnte. Das Verfassungsreferendum wird auch als Entscheidung über Saieds bisherige Führung angesehen.
Die Menschen im Land haben drängende Sorgen: Viele Tunesier sind heute ärmer als noch zu Zeiten des Langzeitherrschers Zine El Abidine Ben Ali, der 2011 durch Massenproteste aus dem Amt gedrängt wurde. Sie glauben deshalb nicht, dass die Demokratie geeignet ist, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu bewältigen. Aber auch Saieds politischer Umbau hat bisher nicht zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse geführt.
Opposition: Referendum ist illegetim
Tunesien war nach den arabischen Aufständen ab 2010 als einziges Land der Region der Wandel zur Demokratie gelungen. Die neue Verfassung würde aber viele demokratische Errungenschaften zunichtemachen.
Die Opposition rief zum Boykott des Referendums auf. Sie betrachtet den gesamten Prozess als illegitim. Die neue Verfassung tritt bei einfacher Mehrheit für den Entwurf in Kraft - unabhängig von der Wahlbeteiligung.