Nach umstrittenem Machtwechsel Neue Regierung in Tunesien vereidigt
Mehr als zwei Monate nach seiner Machtübernahme hat der umstrittene tunesische Staatschef Saied eine neue Regierung vereidigt - und sie vorher per Dekret festgelegt. In der Bevölkerung wächst der Widerstand gegen den Präsidenten.
Tunesien hat eine neue Regierung. Ein entsprechendes Dekret habe Staatschef Kais Saied erlassen, teilte die Präsidentschaft des nordafrikanischen Landes mit. Saied nahm 24 Ministerinnen und Ministern sowie einer Staatssekretärin den Amtseid ab. Die meisten der Regierungsmitglieder sind bisher parteipolitisch nicht in Erscheinung getreten, acht von ihnen sind weiblich.
So auch die Regierungschefin Najla Bouden Romdhane: Die 63-Jährige war vor zwei Wochen von Saied mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Sie ist Professorin für Geologie und war zuletzt Generaldirektorin im Ministerium für Hochschulen und wissenschaftliche Forschung, wie tunesische Medien übereinstimmend berichteten. Sie ist die erste Frau an der Spitze einer Regierung in der Region.
Romdhane kündigte in einem Video, das vom Präsidialamt ausgestrahlt wurde, an, dass Korruptionsbekämpfung einer der Schwerpunkte der neuen Regierung sein werde.
Kritik an Präsident Saied wächst
Indes mehrt sich in Tunesien die Kritik an der Machtübernahme von Präsident Saied. Dieser hatte am 25. Juli mit Hilfe eines Notstandsartikels der Verfassung den Regierungschef Hichem Mechichi abgesetzt, die Arbeit des Parlaments ausgesetzt und die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Die bis dahin regierende Ennahdha-Partei warf ihm einen "Putsch" vor.
Am 22. September hatte Saied außerdem weite Teile der Verfassung außer Kraft gesetzt und angekündigt, in Zukunft per Dekret zu regieren. Es wird erwartet, dass Saied das Wahlgesetz und die Verfassung ändern und diese Änderungen per Volksentscheid legitimieren lassen will. Immer wieder kommt es zu Protesten gegen den Präsidenten.
Tausende demonstrieren gegen Präsidenten
Erst am Sonntag demonstrierten unter starker Polizeipräsenz in der Hauptstadt Tunis Tausende Menschen gegen Saied. Dabei wurden mehrere Journalisten angegriffen, denen die Demonstranten Parteilichkeit für den Präsidenten vorwarfen.
Ein Journalist des staatlichen tunesischen Senders Al Wataniya wurde mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert, wie der tunesische Journalistenverband SNJT und der Sender bestätigten.