Sudanesische Bevölkerung "Es ist einfach, uns zu vergessen"
Die Konfliktparteien im Sudan ermöglichen zwar die Evakuierung ausländischer Staatsbürger. Doch sichere Fluchtkorridore für Sudanesen und Sudanesinnen fehlen. Ihr Alltag ist gefährlich, es mangelt am Nötigsten.
Über der sudanesischen Hauptstadt Khartum steht Qualm. Schüsse und Explosionen hallen durch die Straßen, berichten Anwohner. Eine Geräuschkulisse, die an den Nerven zehrt. "Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen", erzählt eine nigerianische Studentin der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich komme einfach nicht zur Ruhe." Es gebe kein fließend Wasser mehr. "Ein bisschen habe ich noch zum Trinken, aber nicht viel." Rausgehen, um neues zu kaufen, könne man nicht.
Während die Evakuierungsmissionen für zahlreiche ausländische Staatsangehörige im Sudan angelaufen sind, sitzen viele Menschen in der umkämpften Hauptstadt Khartum fest. Sudanesen und Sudanesinnen, aber auch Bürger und Bürgerinnen aus Ländern, die keine Evakuierungen gestartet haben. "Andere Staaten evakuieren ihre Leute. Sie zeigen, dass sie sich kümmern", so die Studentin. "Aber bei uns? Unsere Länder haben nur Ausreden parat. Sie sagen, es würde zu viel kosten. Als wäre Geld wichtiger als Menschenleben!"
Flucht aus der Hauptstadt besonders schwer
Trotz der bedrohlichen Sicherheitslage versuchen immer mehr Menschen, die Konfliktgebiete auf eigene Faust zu verlassen. Zehntausende sind Berichten zufolge bereits über die Grenzen in die Nachbarländer des Sudans geflohen. Aus Khartum, wo sich die Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und den Paramilitärs zu konzentrieren scheinen, ist die Flucht besonders schwer. Überall wird gekämpft. Frontlinien sind in der Stadt kaum erkennbar. Doch zu bleiben wird zunehmend schwierig.
Viele Busse haben Khartum bereits verlassen, so eine Journalistin des Fernsehsenders al-Arabeyya. "Die Lage ist sehr gefährlich geworden. Es ist dort nicht mehr sicher." In der Hauptstadt gebe es weder Wasser noch Strom - und auch keinen Treibstoff mehr.
Tägliche Besorgungen lebensgefährlich
Die humanitäre Situation spitzt sich unterdessen überall im Land zu. Die meisten Krankenhäuser wurden bereits geschlossen. Teilweise sind sie durch die Kämpfe beschädigt worden. Es gibt Berichte, wonach Armee und Paramilitärs zivile Krankenhäuser als Truppenlager genutzt haben sollen.
Seit Beginn der Auseinandersetzungen vor mehr als einer Woche ist in vielen Teilen Khartums der Strom ausgefallen. Fließend Wasser und Nahrung sind rar geworden, nur wenige Lebensmittelgeschäfte haben noch geöffnet.
Alyona Synenko vom internationalen Roten Kreuz berichtet in einer Sprachnachricht von der Lage. "Einige sind mittlerweile so verzweifelt, dass sie das große Risiko auf sich nehmen und aus dem Haus gehen", so Synenko. Dabei werde immer noch gekämpft - es sei sehr gefährlich, rauszugehen. "Was wir jetzt sehen, sind jeden Tag mehr und mehr getötete Zivilisten."
Ein beschädigtes Wohngebäude nach Kämpfen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum.
Bisher keine Waffenruhe eingehalten
Die Weltgesundheitsorganisation hat mittlerweile Hunderte Tote gezählt und Tausende Verletzte. Bei vielen nimmt die Verzweiflung zu. In sozialen Netzwerken - dort, wo sich Sudanesen und Sudanesinnen in dieser Not koordinieren und ihre Sorgen teilen - wächst die Kritik an den ausländischen Evakuierungen.
Viele befürchten, dass die Konfliktparteien noch rücksichtsloser kämpfen könnten, wenn kaum noch Ausländer in der Stadt sind. Andere fühlen sich schlicht im Stich gelassen. Eine Sudanesin twittert: "Ich habe das Gefühl, es ist einfach für die internationale Gemeinschaft, uns in einer solchen Krise zu vergessen. Weil sie glauben, dass wir an so etwas ja gewöhnt sein müssten."
Während die Konfliktparteien am Wochenende zugestimmt hatten, eine Evakuierung ausländischer Staatsbürger zu ermöglichen, gibt es bislang keine sicheren Fluchtkorridore für Sudanesen und Sudanesinnen. Eine Waffenruhe, die das vielleicht möglich machen könnte, ist in der vergangenen Woche nicht zustande gekommen.