Bundeswehr-Abzug aus Mali Ein Problem gelöst - neue geschaffen?
Strukturiert will die Bundesregierung den Bundeswehr-Einsatz in Mali beenden. Wer aber stößt in das Vakuum vor? In den Nachbarländern sorgt man sich um die Stabilität der gesamten Region. Das könnte Folgen auch für Europa haben.
"Möge Gott uns beschützen, damit es nicht wie Afghanistan wird", seufzt Fatouma Alou Traore. Sie verkauft Gewürze auf dem Markt von Banankabougou in Westmali und hat andere Sorgen als den Abzug der deutschen Truppen. Alles wird teurer, immer mehr Kunden bleiben aus - was bedeutet da schon der Abzug von Truppen aus dem fernen Europa?
Gebracht hätten sie ohnehin nichts: "Wir haben keine positiven Veränderungen durch die ausländischen Truppen gesehen", sagt sie - und so denken viele Malier.
Immer mehr zivile Opfer
Tatsächlich stieg die Zahl ziviler Opfer im Kampf gegen Dschihadisten und kriminelle Banden zuletzt rasant. Daran hat auch die Entscheidung der malischen Militärjunta, geschätzte 1000 russische Söldner ins Land zu holen, nichts geändert - im Gegenteil.
Menschenrechtsgruppen werfen den Russen die Beteiligung an Massakern an der Zivilbevölkerung vor. Die Befürchtung: Durch die Gewalt auf Seiten der Regierung und ihrer neuen Freunde könnten sich immer mehr Malier den bewaffneten Gruppen anschließen. Es könnten auch immer mehr in die Flucht getrieben werden und die Auffanglager um Städte wie Bamako füllen.
Junta auf Obstruktionskurs
Gleichzeitig erschwert die malische Junta, die erst im vergangenen Jahr die zuvor selbst ernannte Übergangsregierung weggeputscht hatte, bewusst die Arbeit der UN-Truppen. So kann etwa die Bundeswehr kaum mehr Aufklärungsdrohnen fliegen lassen.
Bewaffnete Gruppen können deshalb nicht rechtzeitig ausgemacht werden. Das hat Folgen für die Sicherheit der 1200 Bundeswehr-Soldaten, aber auch für den Einsatz der UN-Einheiten insgesamt sowie die Zivilbevölkerung.
Russlands Ziele
"Die Russen wollen nicht, dass man ihre Positionen ausspäht", sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako. Die russische Führung sehe, dass sie "den Westen wirklich ärgern kann".
Sie habe den Abzug der Franzosen betrieben, nun arbeite sie daran, dass auch die Deutschen gehen. "Deutschland ist die größte Mission - wenn wir gehen, dann gehen bestimmt auch andere."
Die Gewalt breitet sich in der ganzen Region aus
Viele sind schon gegangen, auch afrikanische Länder. Es ist nicht nur der Frust über die Regierenden in Mali, der sie treibt. Frühere Truppensteller wie die Elfenbeinküste oder Benin - bislang sichere Länder an der Küste - haben inzwischen selbst Probleme, sich der Gewalt aus den nördlichen Nachbarländern wie Mali, Burkina Faso oder Niger zu erwehren.
"Heute suchen die terroristischen Gruppen, gestärkt durch ihren Erfolg in der Region, neue Betätigungsfelder", warnte Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo erst am Dienstag in seiner Hauptstadt Accra anlässlich der Sicherheitskonferenz "Accra Initiative". "Die sich verschlechternde Situation droht, die gesamte Region Westafrika einzuschließen."
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, versprach in Accra Militärgüter "zum Zwecke der Verteidigung". Europa ist alarmiert und fürchtet, weiter in Afrika an Ansehen und Einfluss zu verlieren - und es fürchtet weitere Flüchtlingsbewegungen aus neuen Krisenregionen.
Kontrollierter Abzug
Es sind solche Töne, die Teile der Bundesregierung vor einem sofortigen Abzug zurückschrecken ließen. Das Mandat solle im Mai 2023 letztmalig um ein Jahr verlängert werden, um diesen Einsatz nach zehn Jahren strukturiert auslaufen zu lassen, hieß es am Dienstag aus Berlin.
"Es geht schon lange nicht mehr nur um Mali, es geht um die gesamte Stabilität Westafrikas", sagt Ulf Laessing. Und nicht nur das: Mali wäre ein weiteres Land, das in den russischen Einflussbereich wechseln könnte. "Aus geopolitischer Sicht wäre das ein Triumph für Putin."
Fatouma Alou Traore, die Gewürzhändlerin, ist "traurig, dass mein Land schwierige Zeiten durchmacht". Sie will Frieden, am besten ganz ohne Ausländer, im Vertrauen auf den eigenen Putsch-Präsidenten und auf die eigene Armee. Eine Hoffnung, die für das Land, seine Menschen und vielleicht die ganze Region immer trügerischer wird.