Deutschland beim Klimagipfel Etwas erreicht, aber auch gescheitert
Die Bundesregierung ist bei der COP27 für Klimagerechtigkeit und die Klimaziele eingetreten. Am Ende steht ein Fonds, um Schäden abzufedern. Insgesamt ist die Bilanz aber durchwachsen - wie wohl zu erwarten war.
Es ist fast sieben Uhr morgens: müder Applaus im Plenarsaal der Klimakonferenz. Einige Delegierte können nicht mehr, sind auf ihren Stühlen zusammengesunken.
Die deutsche Außenministerin ist noch wach - aber müde. Annalena Baerbock hat die Verhandlungen geführt. Zum ersten Mal. Sie hat etwas erreicht und ist gleichzeitig auch gescheitert. Nicht untypisch für Klimakonferenzen.
"Dass diese COP nicht einfach wird, war immer klar", sagt die Ministerin nach einer durchgemachten Nacht. "Beim Ergebnis liegen Hoffnung und Frustration nahe beieinander". Hoffnung, weil es gelungen ist, mehr in Sachen Klimagerechtigkeit zu erreichen. Frust weil die Verhandlungen zum Teil extrem schwierig waren.
Baerbock nennt keine Namen, aber wer sie in den vergangenen Tagen begleitet hat, weiß, dass sie unter anderem China und den Gastgeber Ägypten meint.
Besser kein Deal als ein schlechter Deal
Das Gelände der Klimakonferenz gleicht einem Labyrinth. Es ist eine Mischung aus Messe und Tagungszentrum. Wer nicht aufpasst, hat sich schnell verlaufen. Und dann kann es sein, dass plötzlich Baerbock vorbeieilt. Sie rast von einem Termin zum anderen, unterwegs lässt sie sich briefen oder liest schnell noch einen Text. Klimakonferenzen bedeuten Stress. Doch das Thema ist ihr wichtig. Sie hat durchgesetzt, dass internationale Klimapolitik nun vom Außenministerium gemacht wird.
Als sie am Mittwoch ankommt, scherzt sie noch, sie habe den "Koffer nicht sharp auf Freitag gepackt". Sie will sagen: Ich kenne mich aus. Denn dass es auf Klimakonferenzen länger dauert, ist kein Geheimnis.
In Sharm el-Sheikh hat es länger gedauert und es gab auch Momente, da sah es so aus, als könnte die Klimakonferenz scheitern. Der Frust war deutlich zu spüren. Über komplizierte Textentwürfe, die man nur einmal kurz überfliegen durfte. Und darüber, dass plötzlich wieder über das 1,5-Grad-Ziel debattiert wurde. Das lasse man nicht zu, lieber unterschreibe man nicht.
"Besser kein Deal als ein schlechter Deal" wurde ein Mantra und auch ein Druckmittel der deutschen Delegation. Es sollte keine Konferenz des kleinsten gemeinsamen Nenners werden. Lieber arbeite man mit Ländern zusammen, die beim Klimaschutz mitziehen.
Vieles bleibt unkonkret
Zwei Wochen dauerte die Klimakonferenz. Erst kam der Kanzler, dann folgten gleich drei Ministerinnen. Es war aber immer klar, wer die Hauptrolle spielen wollte: Annalena Baerbock.
Neben ihr reiste Svenja Schulze an, die Entwicklungsministerin, die vor einem Jahr noch die Verhandlungen auf der Klimakonferenz in Glasgow geführt hatte. Und Umweltministerin Steffi Lemke, die die Klimapolitik ans Auswärtige Amt abgeben musste. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck schickte nur einen Staatssekretär. Das "Team Deutschland" wirkt nicht immer konfliktfrei.
Nach außen wollen sie Brückenbauer sein. Den ärmsten und verletzlichsten Ländern der Welt helfen. So kam das Thema "Schäden und Verluste" erstmals seit Jahrzehnten auf die Tagesordnung. Am Ende steht ein Fonds, in den die größten Klimasünder einzahlen sollen, um die Schäden zu bezahlen. Und ein Streit, wie lange China sich hier heraushalten und sich auf seinen Status als Schwellenland berufen kann.
Die deutsche Außenministerin hat hier eine klare Meinung. Vieles bleibt unkonkret, aber Deutschland hat hier etwas angestoßen. Noch keine Brücke gebaut - eher einen ersten Steg. Gemessen am Tempo internationaler Verhandlungen ist das durchaus ein Erfolg.
Klimakonferenz ist nicht gescheitert
Baerbock sagt, es werde Billionen kosten, in Zukunft die Klimaschäden zu bezahlen. Und sie weiß auch: Je mehr sich die Erde erwärmt, umso teurer wird es. Irgendwann ist es nicht mehr bezahlbar.
Immer wieder betont sie, dass es dabei bleibe, dass Deutschland aus den fossilen Energien aussteige. Sie erwähnt nicht, dass die Bundesregierung gerade selbst ein schlechtes Zeugnis erhalten hat und seine Klimaziele verfehlen wird, wenn nicht mehr getan wird. Der große Werber für das 1,5-Grad-Ziel tut nach Ansicht das Klimarates selbst nicht genug.
Am Ende der Konferenz sind alle müde. Und kaum jemand verschweigt, dass es sehr schwierige Verhandlungen waren. Aber die Klimakonferenz ist nicht gescheitert. Und dass sich die Staatengemeinschaft versammelt unter diesen Bedingungen, dass ist für Umweltministerin Lemke "einerseits notwendig und andererseits auch ein Wert an sich."
Doch auch in Sharm el-Sheikh wurden die Gräben mehr als deutlich. Als Deutschland das Thema Menschenrechte ansprach, kühlte sich das Verhältnis zum Gastgeber Ägypten nochmal ab. Ein Treffen zwischen Baerbock und ihrem ägyptischen Kollegen fand nicht statt.
Mehr zur Weltklimakonferenz können Sie heute um 18.00 Uhr beim "Bericht aus Berlin" im Ersten sehen.