Trans Personen in Argentinien Quote gegen Benachteiligung
Seit einem Jahr gilt in Argentiniens Behörden eine Transquote von einem Prozent. Das soll verhindern, dass Trans Personen in der Arbeitswelt benachteiligt werden. Argentinien gilt als Vorreiter bei LGBTIQ-Rechten.
Als sich der bunte Protestzug durch das Zentrum von Buenos Aires bewegt, ist Luana Lopez Reta mittendrin. Sie lebt offen als trans Frau und hält ein Plakat mit der Aufschrift "La Nelly Omar" in die Höhe. La Nelly Omar ist eine argentinische Bewegung, in der sich queere Personen engagieren - benannt nach einer berühmten Tangosängerin.
"Mein Leben hat sich völlig verändert", erzählt Reta. "Ich hätte nie gedacht, dass ich als trans Frau einer geregelten Arbeit nachgehen könnte, eben weil ich diese Orientierung habe." Die 56-Jährige bezieht sich auf die Transquote in argentinischen Behörden, die seit dem Jahr 2021 gilt und ein Prozent der Arbeitsplätze für trans Menschen vorsieht.
Reta ist trans. Das heißt: Bei der Geburt wurde ihr aufgrund ihrer biologischen Merkmale das männliche Geschlecht zugewiesen. Sie identifiziert sich aber als Frau und nimmt mittlerweile auch Hormone ein, die ihren Körper verändern.
Luana Lopez Reta ist trans. Seit einem Jahr arbeitet sie, auch dank der Quote für Transmenschen in Argentiniens Behörden, festangestellt im Staatsministerium.
Hürden für trans Personen
Seit einem Jahr arbeitet sie nun festangestellt im Staatsministerium. Doch lange war für sie unklar, ob sie überhaupt eine Anstellung finden könnte. Viele trans Menschen fühlen sich in Argentinien Beleidigungen und Übergriffen ausgesetzt. Für zahlreiche Mitglieder der queeren Community gehört das zum Alltag.
Daher sorgte es für weltweites Aufsehen, als die argentinische Abgeordnetenkammer im August 2021 mit überwältigender Mehrheit ein Gesetz für eine gesetzliche Transquote im öffentlichen Dienst verabschiedete. Ein Prozent aller Stellen im öffentlichen Dienst sollen laut Schätzungen landesweit ungefähr 2500 Arbeitsplätzen entsprechen. Privatunternehmen, die transgender Personen beschäftigen, sollen zudem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt werden.
Das Eintreten für eine Trans-Quote hat für ihn auch eine persönliche Dimension: Argentiniens Präsident Fernandez (Mitte)
"Viele von uns waren als Sexarbeiterinnen tätig"
Damit ist das katholisch geprägte Argentinien eines der progressivsten Länder in Sachen Gendergerechtigkeit. Für die LGBTIQ-Community ist es ein wichtiger Etappensieg. "Durch das neue Gesetz erhalten wir die Chance auf eine geregelte Arbeit. Davor hatten wir keine Zugänge, wurden marginalisiert", erklärt Reta. "Viele von uns waren als Sexarbeiterinnen tätig".
Tatsächlich prostituierten sich viele trans Personen: Laut einer Studie der argentinischen Trans-Organisation Attta seien 95 Prozent formal nicht angestellt und 80 Prozent im Sexgeschäft tätig gewesen. Das Gesetz sei daher mehr als nötig gewesen, findet Reta.
Für Argentiniens Präsidenten Alberto Fernandez ist die Gleichstellung queerer Menschen wohl auch ein persönliches Anliegen. Sein Kind hat sich 2021 als nicht-binär geoutet und macht dies auch im neuen Personalausweis kenntlich. Denn mittlerweile kann jeder Argentinier dort neben "männlich" oder "weiblich" ein "x" vermerken lassen, wenn keine Zuordnung zu einem Geschlecht gewollt ist.
Reaktionen auf die Quote
Während die Trans-Community auch ein Jahr später stolz auf das Gesetz ist, zeigt sich die argentinische Gesellschaft gespalten. Vor allem aus dem konservativ-religiösen Lager kommt Ablehnung. Aus Sicht Retas glaubten konservative Argentinier, dass trans Menschen solch ein Gesetz nicht verdienten.
Reta kennt das aus ihrer eigenen Familie. Solange ihre Mutter am Leben war, wollte sie sich nicht outen. Erst nach deren Tod tat sie das und heiratete einen Mann. Dass damit ein krasser Lebenswandel verbunden war, wusste sie.
Während die Anwendung des Gesetzes in Buenos Aires gut funktioniert, läuft es in den ländlichen Regionen eher schleppend. Trotz Quote finden trans Argentinier nur selten eine feste Anstellung. "Der Staat müsste einige Provinzen im Land zwingen, das Gesetz anzuwenden, sonst wird sich nichts ändern", so Lincoln, trans Frau aus Buenos Aires, die ebenfalls bei La Nelly Omar demonstriert.
Teilnehmer der Demonstration der Organisation La Nelly Omar, eine argentinische Bewegung, in der sich queere Personen engagieren - benannt nach einer berühmten Tangosängerin.
"Es hat sich schon viel getan"
Reta gehe es vor allem um faire Startbedingungen. Dafür sei sie das beste Beispiel: Sie ist als Systemanalystin mit der Spezialisierung für Linux-Software gut ausgebildet - und war dennoch lange arbeitslos. "Die Quote ist für unsere Community wirklich lebensverändernd. Viele von uns hatten früher nicht einmal eine Krankenversicherung."
Obgleich sich in den vergangenen Monaten schon viel getan hat: Für Reta soll es erst der Anfang sein. "Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Argentinien keine Transquote mehr benötigt", sagt sie. "Es sollte ganz selbstverständlich sein, dass trans Personen Jobs finden. Wir möchten lediglich dieselben Bedingungen."
Auch nach den Gesetzesreformen demonstriert Luana Lopez Reta weiterhin gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Auf dem gut gefüllten Plaza de Mayo in Buenos Aires steht sie in vorderster Reihe und möchte zeigen: Frei und sicher leben zu können, dürfe keine Frage der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität sein.