Urteil Vorzeitig eingeschult: Stadt Jena muss zwei Kita-Jahre erstatten

16. März 2024, 09:04 Uhr

Kinder, die in Thüringen vorzeitig eingeschult werden, haben Anspruch auf zwei beitragsfreie Kitajahre. Das hat jetzt das Landgericht Gera bestätigt. Geklagt hatte eine Familie aus Jena, deren Kind bereits mit fünf Jahren eingeschult wurde. Die Eltern hatten nur zwölf statt 24 beitragsfreie Monate für den Kindergartenplatz ihrer Tochter erhalten, weil diese vorzeitig eingeschult wurde.

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Magdalene besucht derzeit die dritte Klasse, mit acht Jahren. Ihre Eltern ließen sie vorzeitig mit fünf Jahren in eine Jenaer Schule einschulen. "Wir sind davon ausgegangen, dass wir genau wie bei allen anderen Schulanfängern die letzten zwei Jahre vor Schuleintritt keine Gebühren zahlen müssen. Das haben wir beantragt bei der Stadt Jena und es wurde aber abgelehnt. Und deshalb blieb uns nichts Anderes übrig, diese Streitfrage vor Gericht zu klären," sagte Papa Steffen Wolf MDR THÜRINGEN.

Im März 2023 stimmte das Amtsgericht Jena der Argumentation der Familie zu, entschied, dass auch ihr zwei beitragsfreie Kita-Jahre zustehen.

Urteil: Beitragsfreiheit für Früheingeschulte - Stadt Jena legt Berufung ein

Die Stadt Jena hatte bisher das Kindergartengesetz in Thüringen so verstanden, dass in solchen Fällen, das Geld dann nicht für beide Jahre erstattet wird und legte Berufung ein. Jetzt jedoch hat das Landgericht Gera das Urteil bestätigt. Die Stadt Jena muss die Gebühren für die letzten beiden Kita-Jahre erstatten, auch wenn ein Kind vorläufig eingeschult wird. Familie Wolf bekommt also Geld zurück.

Ein Mädchen trägt einen Tornister auf dem Rücken.
Magdalene auf dem Heimweg von der Schule. Sie geht mit acht Jahren bereits in die 3. Klasse. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

"Wir sind bisher immer vom laufenden Jahrgang ausgegangen und nicht von dem individuellen Anspruch eines Kindes, das gegebenenfalls vorfristig in die Schule kommt. Das war für uns so klar nicht ersichtlich, sodass wir das Geld an die Eltern nicht gezahlt haben," sagte Christine Wolfer, Leiterin Fachdienst Jugend und Bildung in Jena, MDR THÜRINGEN.

Das Urteil bedeute für die Stadt Jena eine juristische Klarheit im Umgang mit dem zweiten beitragsfreien Kita-Jahr. Bindend sei der individuelle Schuleingang und nicht der Jahrgangseingang - so wie es die Stadt Jena vorher gesehen hatte, ergänzt Wolfer.

Eine Frau mit einem Mikrofon vor dem Mund.
Für Christine Wolfer, Leiterin Fachdienst Jugend und Bildung in Jena, schafft das Urteil Klarheit. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Beitragsfreie Kita-Jahre in Thüringen § 30 des Thüringer Kindergartengesetz regelt, dass für die Betreuung eines Kindes in einer Kindertageseinrichtung im Zeitraum der letzten 24 Monate vor Schuleintritt kein Elternbeitrag geltend gemacht werden darf. In der Regel geben Eltern an, sobald ihr Kind den Kindergarten besucht, ab wann dieses in die Schule wechselt. 24 Monate davor wird die Zahlung der Eltern eingestellt. Stattdessen kommt die Kommune als Träger der Einrichtung für die Kosten auf. Diese wiederum werden dann vom Land erstattet. 

Drittes beitragsfreies Kita-Jahr in Thüringen in Planung

In Thüringen werden jährlich etwa 200 Kinder vorzeitig eingeschult. Die Kosten für die beitragsfreien letzten zwei Jahre im Kindergarten trägt zunächst die Kommune, die das Geld vom Land dann erstattet bekommt. Die Entscheidung des Landgerichts Gera ist keine Grundsatzentscheidung. Das Thüringer Bildungsministerium geht jedoch davon aus, dass alle Kommunen so handeln werden wie jetzt die Stadt Jena. Die Kosten, die auch rückwirkend erstattet werden, seien überschaubar.

Ein Deckblatt einer Urteilsschrift.
Zwar ist das Urteil nicht auf andere Fälle übertragbar, dennoch sieht es das Bildungsministerium richtungsweisend. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Betroffene Eltern sollen sich dazu an ihre Kommune als Träger des Kindergartens wenden, so ein Sprecher des Bildungsministeriums. Für Kinder, die zurückgestellt werden und ein Jahr später in die Schule kommen, fallen ebenfalls keine Kita-Beiträge an, auch wenn ihnen bereits zwei Jahre erstattet wurden.

Thüringen plant indes ein weiteres drittes beitragsfreies Kita-Jahr. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird aktuell im Landtag diskutiert. Seit 2020 sind in Thüringen die letzten beiden Jahre im Kindergarten kostenlos für die Eltern.

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MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 16. März 2024 | 19:00 Uhr

21 Kommentare

Freies Moria vor 5 Wochen

Gleichmacherei ist bei Menschen fehl am Platze - und es ist besonders traurig wenn man das bei Leuten erlebt, die sonst so für "Diversität" sind.
Manche Kinder können mit 3 oder 4 Jahren lesen, dafür vielleicht aber nie zeichnen. Andere Kinder sind Spätzünder und dann umso eifriger.
Leider ist die Einzelförderung ausschließlich Sache engagierter Eltern und einzelner Lehrkräfte geworden. Letztere werden durch das System i.d.R., ich sage mal, nicht belohnt.
Entsprechend traurig sieht das Endergebnis aus, wenn klickende und wischende Abiturienten nicht richtig lesen und rechnen können, selbst bei Videos nach 3 Minuten abschalten.
Zu meiner Zeit sah das oft ganz anders aus - ob Erzieher oder Lehrer, die klügeren Kinder wurden als Hilfskräfte eingesetzt und haben die ganze Klasse mitgezogen. Im Ergebnis waren alle besser und sozialer eingestellt.
Solch einfache Konzepte sind aber gerade für "soziale" Parteien heute so weit weg wie der Mond - der Betrag der Kitabeiträge weit wichtiger.

Maria A. vor 5 Wochen

Ich vermisse hier wirklich kommentierende Pädagogen. Mal Kommentare über gemachte Erfahrungen in der Praxis. Kann es sein, dass Lehrkräfte sich nicht dafür interessieren, was beim MDR zu lesen ist? Mit etwas Lebenserfahrung, eigenem Nachwuchs und mehreren Nichten und Neffen, kann man zwar behaupten, dass "jung" Eingeschulte anfangs einige Schwierigkeiten hatten und im Verwandten- und Bekanntenkreis bessere Erfahrungen gemacht wurden beim Einschulen ab sechs Jahren, aber es wäre ein toller Aspekt, hätte man aus den Reihen der Lehrerschaft was zum Thema beigetragen.

Maria A. vor 5 Wochen

Meine Güte, dass die eigenen Rentenbeiträge vom Staat benutzt werden für die jetzige Finanzierung, dafür kann man doch nichts. Genauso wie man für den Erhalt der eigenen Existenz arbeiten geht, bezahlt man dabei für sich selbst Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung.

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