Mitglieder der DLRG in einem Rettungsboot bei einer Übung
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Baden ohne Aufsicht Neue Bademeister braucht das Land

02. Juni 2023, 05:00 Uhr

In Sachsen-Anhalts Seen müssen Badegäste immer öfter auf eigene Gefahr schwimmen gehen. Denn es fehlt an Rettungsschwimmern. Besonders groß ist das Problem in kleinen Betrieben, die sich keinen festangestellen Bademeister leisten können und auf Ehrenamtliche hoffen müssen.

Die sommerlich warmen Temperaturen machen aktuell richtig Lust auf Schwimmbad. Viele Freibäder und Badeseen in Sachsen-Anhalt haben auch schon geöffnet. Doch einige Bäder im Land haben es seit Jahren schwer: Die Kosten für den Betrieb steigen und Rettungsschwimmer fehlen.

So auch in Wittenberg. Dort ist das Strandbad Reinsdorf neuerdings kein Strandbad mehr, sondern nur noch eine sogenannte "offene Badestelle". Weil kein Rettungsschwimmer gefunden werden konnte, hat die Stadt Steg, Rutsche und Badeinsel gesperrt – aus Sicherheitsgründen. Kleiner Trost: Die Gäste zahlen keinen Eintritt mehr. Der Preis dafür: Sie baden auf eigene Gefahr.

Baden ohne Aufsicht – kein Problem oder zu gefährlich? Würden Sie in ein Freibad gehen, in dem es keine Badeaufsicht gibt? Schreiben Sie uns auf WhatsApp:

Pandemie als Bremse

Das Problem ist nicht neu und wird immer schlimmer, sagt Alexander Kölling MDR SACHSEN-ANHALT. Der Rettungsschwimmer aus Wittenberg fühlt sich inzwischen völlig überfordert. Durch die Corona-Pandemie hätten drei Jahre lang kaum noch Aus- und Weiterbildungen stattgefunden, Rettungschwimmer-Scheine seien abgelaufen.

Eine weitere Folge der Pandemie: Weil etliche Bäder geschlossen oder nur zeitweise geöffnet waren, fiel auch der Schwimmunterricht für Kinder oft aus. Das Bildungsministerium hat deswegen im August 2022 ein sogenanntes Aufholprogramm gestartet und Schwimmgutscheine bereitgestellt. Ein Schwimmlehrer aus Magdeburg kritisiert das System aber als zu bürokratisch.

Bäder stehen vor der Schließung

In großen Bädern macht sich die Problematik weniger stark bemerkbar, denn die haben festangestellte Rettungschwimmer. In kleineren Bädern aber kümmern sich Ehrenamtliche von der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes oder von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) um den Badebetrieb. Und denen fehlt oft der finanzielle Anreiz, sagt DLRG-Präsident Holger Hövelmann. Für 2 Euro pro Stunde stehe niemand mehr am Beckenrand.

Vielen kleineren Bädern droht daher die Schließung. Zum Beispiel in Rübeland im Harz, wo das Freibad von den Einwohnern selbst über einen Verein betrieben wird. Sie kämpfen seit Jahren für den Erhalt ihrer "Bodeperle" und konnten sie schon mehrfach vor der Schließung retten. Doch nun machen dem Verein die gestiegenen Kosten für Rettungsschwimmer zu schaffen.

Neues DLRG-Ausbildungszentrum in Halle

Eine höhere Vergütung ist aber für DLRG-Präsident Hövelmann ein wichtiges Instrument zur Lösung des Problems. Außerdem verlangt er, dass junge Leute wieder motiviert werden müssen, Rettungsschwimmer zu werden. Da soll das neue Ausbildungszentrum in Halle eine wichtige Rolle spielen, das Ende April eröffnet wurde. Mehr als sechs Millionen Euro wurden investiert, um die Nachwuchssorgen zu mindern.

Die DLRG selbst sieht sich auf einem guten Weg. Nach jahrelangem Mitgliederschwund stieg die Zahl der Rettungsschwimmer zuletzt wieder. In Sachsen-Anhalt sind derzeit fast 4.500 ehrenamtliche Rettungsschwimmer im Einsatz. Im Vergleich zu 2021 ein Plus von 3,8 Prozent. Dazu kommen insgesamt 748 ausgebildete Rettungsschwimmer von der Wasserwacht des DRK Landesverbandes Sachsen-Anhalt (Stand 2022).

Zwölf Menschen ertrunken

Wie wichtig die Arbeit von Rettungsschwimmern ist, zeigt auch ein Blick in die Statistik: In Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr nach Angaben der DLRG zwölf Menschen ertrunken. Das entspreche der Zahl aus dem Vorjahr 2021. Elf der zwölf Fälle hätten sich in unbewachten Gewässern ereignet.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 02. Juni 2023 | 07:10 Uhr