Razzia gegen IS: Wie groß ist die Gefahr in NRW?

Stand: 31.05.2023, 15:57 Uhr

Am Mittwoch hat es eine deutschlandweite Razzia gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" gegeben - auch in NRW. Der IS ist hierzulande immer noch ein Problem. So ist die Lage.

Bei einer bundesweiten Razzia mit zahlreichen Durchsuchungen hat es am Mittwoch sieben Festnahmen gegeben, davon vier in NRW. Hintergrund des Einsatzes ist der Verdacht der finanziellen Unterstützung der Terrormiliz "Islamischer Staat".

Man drehe "jetzt der Terrormiliz die Geldhähne ab", kommentierte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die Razzia. Was steckt dahinter? Wie groß ist die Gefahr durch den IS in Deutschland und NRW? Fragen und Antworten.

Was genau ist passiert bei der Razzia gegen den IS?

Bundesweit wurden seit Mittwochmorgen von etwa 1.000 Einsatzkräften mehr als 100 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht - nach Angaben von Innenminister Reul waren in NRW 250 Kräfte zu 24 Objekten ausgerückt.

Polizei-Einsatzkräfte bei einer Razzia

Polizisten bei der Razzia am Mittwochmorgen

Die weiteren Durchsuchungen gab es laut Generalbundesanwalt in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Hamburg und Bremen. Auch in den Niederlanden wurde ein Objekt durchsucht. Sieben Menschen wurden festgenommen.

Wer wurde wo festgenommen? Welche Staatsbürgerschaft haben sie?

  • Vier der bundesweit sieben Festnahmen gab es in NRW: zwei im Kreis Heinsberg, zwei im Rheinisch-Bergischen Kreis. Das bestätigte die Bundesanwaltschaft dem WDR.
  • Vier Festgenommene sind Frauen, drei sind Männer, wie die Bundesanwaltschaft bekannt gab.
  • Fünf Festgenommene sind demnach deutsche Staatsbürger. Davon hat eine Deutsche zugleich die marokkanische Staatsbürgerschaft.
  • Außerdem sind unter den Festgenommenen ein Mann mit kosovarischer und eine Frau mit türkischer Staatsbürgerschaft.

Sieben mutmaßliche IS-Unterstützer festgenommen

WDR Studios NRW 31.05.2023 00:48 Min. Verfügbar bis 24.05.2024 WDR Online


Was wird den Verdächtigen genau vorgeworfen?

Die Bundesanwaltschaft wirft den Verdächtigen unter anderem die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland vor.

Die Beschuldigten sollen einem internationalen Netzwerk angehören, das die Organisation "Islamischer Staat" finanziell unterstützt haben soll. Sie sollen Spenden gesammelt und an den IS weitergeleitet haben - mindestens 65.000 Euro.

Wie lief das mutmaßliche Spendensammeln für den IS ab?

April 2023 in Syrien: Kurdische Kräfte patrouillieren im Lager Al-Hol, wo Familien von Mitgliedern der Terrororganisation "Islamischer Staat" leben.

Im Lager Al-Hol in Syrien leben viele Frauen und Kinder von IS-Mitgliedern.

Die Kampagnen in sozialen Medien mit Titeln wie "Deine Schwester im Camp" laufen offenbar schon seit Jahren. Sie dienen dem Zweck, IS-Frauen finanziell zu unterstützen, die mit ihren Kindern in Syrien leben - vor allem in dem von kurdischen Gruppen kontrollierten Lager Al-Hol.

Der IS kontrollierte über Jahre große Gebiete im Bürgerkriegsland Syrien und im benachbarten Irak. Die Hochphase endete laut Bundesverfassungsschutz 2016. Mittlerweile haben die Extremisten ihr Herrschaftsgebiet wieder verloren. IS-Zellen sind aber in beiden Ländern weiter aktiv.

Wie groß ist die Gefahr in NRW durch die Terrororganisation IS?

Die Gefahr, die von Islamistinnen und Islamisten in Deutschland ausgeht, geriet zuletzt eher in den Hintergrund der öffentlichen Wahrnehmung. Trotzdem ist sie weiterhin da - auch in NRW. Das zeigten zum Beispiel die Festnahmen im März in Essen, im Januar in Castrop-Rauxel und im September vergangenen Jahres in Iserlohn.

"Die Gefahr ist nach wie vor so groß wie immer." Herbert Reul, NRW-Innenminister
Innenminister NRW: Herbert Reul

Herbert Reul (CDU)

Im vergangenen Jahr habe der NRW-Verfassungsschutz 4.070 Islamisten gezählt, darunter 600 gewaltbereite, sagte Innenminister Reul am Mittwoch nach der Razzia. Das sei zwar ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Trotzdem sei die Gefahr "so groß wie immer" - "sie hat sich nicht reduziert".

Im NRW-Verfassungsschutzbericht für 2022 heißt es dazu: "Die jihadistische Ideologie ist nach wie vor ein Nährboden für terroristische Gewalt. Dadurch besteht weiterhin eine sehr große Gefahr für terroristische Anschläge in Deutschland von islamistisch motivierten Extremisten."

Zurzeit versuche der IS wie auch al-Qaida eher, Einzeltäter oder Kleinst-Gruppen anzustiften und wenn möglich anzuleiten, Angriffe unter Verwendung einfacher Tatmittel zu begehen - zum Beispiel mit Hieb- und Stichwaffen sowie Fahrzeugen, heißt es weiter in dem Bericht.

Oliver Huth, Landesvorsitzender des Bunds der Kriminalbeamten

Oliver Huth, Landesvorsitzender des Bundes der Kriminalbeamten

Um das Problem in Deutschland in den Griff zu kriegen, müsse man auch über die Migrationsbewegung sprechen, "die wir derzeit beobachten", sagte Oliver Huth, Landesvorsitzender des Bundes der Kriminalbeamten, am Mittwoch dem WDR.

"Das muss mit auf den Tisch, weil viele aus diesen Herkunftsländern kommen, wo der IS entsprechend aktiv gewesen ist", meint Huth. Oft kenne man die Vita von Asylsuchenden nicht. Man wisse nicht, ob sie bereits für den IS gearbeitet haben.

Ist die Unterstützung des IS in Deutschland generell illegal?

Ja. Seit Anfang Januar 2014 können gemäß Strafgesetzbuch Taten von Mitgliedern oder Unterstützern des IS, die deutsche Staatsbürger sind, sich in Deutschland aufhalten oder hier tätig werden, strafrechtlich verfolgt werden.

Unter anderem ist jegliche Beteiligung in sozialen Medien und an Demonstrationen zugunsten des IS und jede Art von Unterstützungshandlung - wie auch das Sammeln von Spenden - strafbar.

Welche weiteren Reaktionen gibt es auf die Razzia gegen den IS?

Grünen-Politikerin Dr. Julia Höller

Grünen-Politikerin Julia Höller

In Europa bestehe weiterhin eine "hohe abstrakte Gefahr für islamistische Anschläge", teilte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Julia Höller, mit. "Umso bedeutender sind die Erfolge der heutigen bundesweiten Razzia gegen die mutmaßlichen Unterstützerinnen und Unterstützer des IS." Man müsse die Finanzquellen des IS trockenlegen.

"Die heutigen Exekutivmaßnahmen sind ein großer Erfolg für die Terrorismusbekämpfung der deutschen Sicherheitsbehörden", sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang. Er erhofft sich dadurch auch eine abschreckende Wirkung. "Die Durchsuchungsmaßnahmen dürften auch eine präventive Wirkung entfalten."

Über dieses Thema berichten wir am 31.05.2023 auch in den Hörfunknachrichten und in der "Aktuellen Stunde" im WDR Fernsehen.