Vorfall auf Gleisbett der Berliner U-Bahn - "Man sollte im Tunnel nichts anfassen"

Mi 31.05.23 | 13:15 Uhr
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BVG-Fahrgäste im U-Bahn-Tunnel auf dem Gleis der U8. (Quelle: instagram/oaky.camera/instagram/@mary.jk_)
Video: rbb|24 | 30.05.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: instagram/oaky.camera/instagram/@mary.jk_

Ein technischer Defekt führte am Wochenende in Berlin zu einem gefährlichen Vorfall: U-Bahn-Fahrgäste betätigten wohl die Notöffnung der Türen der U8 und kletterten ins Gleisbett. Ein Mann erlitt einen Stromschlag. Wie gefährlich sind U-Bahn-Tunnel?

In der deutschen Hauptstadt sind die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) so einiges gewohnt: Musiker, Pöbler, Touristen ohne Fahrschein. Der Vorfall, der sich in der Nacht zu Montag ereignet, dürfte die BVG aber noch mehrere Tage beschäftigen.

Als in Berlin-Kreuzberg ein Zug der U-Bahn-Linie 8 am Sonntagabend wegen eines technischen Defekts zwischen zwei Bahnhöfen anhält, stürmen Dutzende Fahrgäste unkontrolliert ins Gleisbett im Tunnel. Die Aktion bleibt nicht folgenlos: Ein 25-Jähriger kommt dabei laut Polizei in Kontakt mit einer Stromschiene und verletzt sich schwer.

Fahrgäste betätigen Notfallöffner

Der Verletzte ist auf einem Video, das ein Fahrgast mit dem Handy aufzeichnet und das dem rbb vorliegt, nicht zu sehen. Dafür aber wie mehrere Menschen ins Gleisbett zwischen den Bahnhöfen Moritzplatz und Kottbusser Tor springen. Zudem ist Grölen und Musik zu hören - offenbar sind einige Fahrgäste betrunken. Möglicherweise spielt auch das bei der Öffnung der Türen eine Rolle.

Die alarmierte Polizei räumt nach eigenen Angaben daraufhin beide Bahnhöfe und stellt sicher, dass sich keine weiteren Personen mehr im Gleisbett des Tunnels befinden. Zu Tumulten oder Festnahmen ist es nicht gekommen, wie die Polizei rbb|24 mitteilte.

Eine Notöffnung an der Tür muss vorhanden und immer funktionsfähig sein. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Tür generell gesperrt ist.

Nicolai von Hübbenet, BVG

Gleisbett kann lebensgefährlich sein

Wie genau es zu dem Vorfall kam, kann die BVG nach eigenen Angaben noch nicht abschließend beurteilen. Dies werde derzeit noch überprüft. Grundsätzlich sei es aber möglich, Türen der U-Bahn zu öffnen. "Eine Notöffnung an der Tür muss vorhanden und immer funktionsfähig sein. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Tür generell gesperrt ist", sagt der Sicherheitsbeauftragte der U-Bahn bei der BVG, Nicolai von Hübbenet, dem rbb. Wegen der laufenden Überprüfung wolle er aber keine Aussagen zum konkreten Fall machen. Von Hübbenet zufolge lassen sich alle Türen im Notfall öffnen, solange das Fahrzeug im Stillstand ist. Auch ist der Missbrauch laut BVG strafbar.

Das unkontrollierte Aufhalten im Gleisbett könne zudem lebensgefährlich sein, warnt er. Denn erst bei einer geplanten Evakuierung werde zum Beispiel die Fahrspannung abgeschaltet. Ob dies bei dem Vorfall am Wochenende passiert ist, ist unklar. Generell sei es nicht die Entscheidung der Fahrerin oder des Fahrers, sondern die der Leitstelle, ob evakuiert wird - zum Beispiel dann, wenn die U-Bahn den nächsten Bahnhof aufgrund eines Defekts nicht mehr erreichen kann.

"10 bis 15 Minuten", dann wurden die Türen geöffnet

Von Hübbenet warnt zudem, dass selbst bei einer abgeschalteten Fahrspannung an den Fahrzeugen "noch eine sogenannte Kondensatorenspannung" anliege. Dieser Reststrom reiche aus, um sich Stromschläge zu holen. Der U-Bahn-Sicherheitsbeauftragte warnt deshalb eindringlich, sich unter keinen Umständen in den Gleisbereich zu begeben, ohne vorher von der Fahrerin oder dem Fahrer dazu aufgefordert worden zu sein.

Wegen möglicher Stromschläge rät er im seltenen Fall eines angeordneten Notausstiegs: "Man sollte im Tunnel nichts anfassen." Auf Nachfrage fügt der Experte aber hinzu, dass beim Laufen zwischen den Schienen keine direkte Gefahr bestehe. Auch die Schienen selbst würden keinen Strom führen.

Teil des Zuges befand sich bereits im nächsten Bahnhof

Wie lange die U8 stillstand, bevor die Geduld der Fahrgäste erreicht war und einige die Türen öffneten, teilte die BVG nicht mit. Eine Zeugin spricht dem rbb gegenüber von "ungefähr 10 bis 15 Minuten". Zudem erreichen rbb|24 seit dem Vorfall Hinweise über Instagram, wonach die Zugführerin die Türen geöffnet haben soll - also nicht die Fahrgäste. Demnach war es sehr stickig, die geöffneten Türen sollten für mehr Frischluft sorgen. "Aber einige verstanden das als Einladung zum Aussteigen", schreibt eine Betroffene.

Das Betätigen der Notfallöffnungen oder die Öffnung aller Türen war dabei wohl gar nicht nötig. Nach rbb-Informationen befand sich ein Teil des Zuges, durch den man komplett durchgehen konnte, inklusive der ersten Fahrgasttür bereits im Bahnhof Kottbusser Tor, als die U-Bahn zum Stillstand kam.

Sendung: rbb24 Abendschau, 30.05.2023, 19:30 Uhr

61 Kommentare

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  1. 61.

    Auf so eine Idee können doch nur Landeier kommen ....

  2. 60.

    Falsch rbb, man sollte erst gar nicht im Tunnel sein ! Erst nach Anweisung von BVG Mitarbeitern. So wird ein Schuh draus.

  3. 59.

    Was ist denn das für ein hohler Kommentar von ihnen ? Man hat einfach im U Bahntunnel nichts zu suchen und soll,man die Stromschiene mit bunter Farbe anmalen ?

  4. 58.

    „Diese Stadt ist so, wie sie ist, weil unsere Bürger so sind, wie sie sind.“ –Platon-

  5. 57.

    Null Mitleid mit dem verletzten ... in Berlin weiss jeder wie gefährlich es ist .. zudem party im Tunnel ein nogo

  6. 56.

    Is aber auch wirklich unfassbar lange. 15 min verlorene Lebenszeit, die MAN nicht wiederkriegt. Ganz schlimm das.

  7. 55.

    Was ist an meinem Kommentar "unqualifiziert"? Durchsagen zum Maskentragen gab es alle 5-10 Minuten in den Zügen, ich habe noch keine Durchsage dahingehend gehört, dass ich das Gleisbett nicht betreten soll. Lieber Jürgen, warum wohl?

  8. 54.

    Die SPD fordert schon seit Jahren vehement " Bildung ", nicht nur für ihre eigene Klientel !

  9. 53.

    @ F.T.S.: War ja zu erwarten, das sich hier jemand findet, der das in den Ring geworfene Thema 'Masken' dankbar aufgreift und seinen unqualifizierten Kommentar dazu abgibt.

  10. 52.

    "...befand sich ein Teil des Zuges, durch den man komplett durchgehen konnte, inklusive der ersten Fahrgasttür bereits im Bahnhof Kottbusser Tor, als die U-Bahn zum Stillstand kam." - da erkennt man die Intelligenz der Fahrgäste, die in diesem Stadtgebiet die U-Bahn nutzen...

  11. 50.

    Wie lange die U8 stillstand, bevor die Geduld der Fahrgäste erreicht war und einige die Türen öffneten, teilte die BVG nicht mit. Eine Zeugin spricht dem rbb gegenüber von "ungefähr 10 bis 15 Minuten".

  12. 49.

    @ Bones, befremdlich finde ich auch das es Leute gibt, die sich an Diskussionen beteiligen, die sie selber in Frage stellen. Im übrigen kann ich im Bericht nix dazu lesen, das irgendeine Regel diesbezüglich in Frage stellt.

  13. 48.
    Antwort auf [Frank Wedekind] vom 30.05.2023 um 19:37

    War ja zu erwarten, dass sich hier auch noch jemand findet, der Masken in den Ring wirft. Kleine Erinnerung: das Tragen dieser Dinger war zu vielen Phasen der Pandemie international umstritten, der Nutzen in vielen Bereichen unklar. Wohingegen die Gefahr eines eigenständigen Betretens eines Gleisbetts ziemlich eindeutig ist.

  14. 47.

    Es gibt einfach zu viele dumme Menschen auf der Welt.

  15. 46.

    Da laufen dann schlicht die Naturgesetze ab. Fatal wäre es, wenn es nicht den Dummen treffen würde, sondern andere unbeteiligte. Ein fetter Stromschlag ist kein Vergnügen, noch dazu wenn es Gleichstrom ist. Die Elektrolyse läßt grüßen.

  16. 45.

    Schlicht und einfach: Bescheuert. Wer dann noch gegen einen Zug pinkelt, darf sich nicht wundern, wenn er eine gepflastert bekommt.
    Im Übrigen waren das mehrheitlich Party-und Sauf-Touristen, die denken, ALLES sei "Event".

  17. 44.

    Der Fahrer der U BAHN hat anscheinend seine Fahrgäste auch nicht informiert über die Lautsprecher im Zug so hätten die hinteren Fahrgäste gewusst das sich der Zug vorne schon im Eingang der Station befand.

  18. 43.

    Das nennt man heutzutage doch "Selbstermächtigung": Ich, ich, ich bin das Maß aller Dinge, mache, was ich will, Vorschriften sind faschistisch, Nachdenken ist sowas von 2012 (oder so), und wenn mir durch mein eigenes Fehlverhalten etwas passiert, sind andere dran schuld. Sicher "systemisch" und so.

    Im übrigen gilt: Paaaaaaarty!

    P.S.: Ich hoffe, die Polizei konnte die Personalien aufnehmen und das ganze ist jetzt ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Jegliches Betreten von Bahnanlagen außerhalb entsprechend gekennzeichneter Bereiche oder nach Aufforderung durch autorisiertes Personal ist verboten und strafbar.

  19. 42.

    Tja, der BVG und dem ehemaligen RGR-Senat ist diesmal wohl kein Vorwurf zu machen. Die Notfallöffnung der Türen ist EU-Rechtlich vorgeschrieben. Wenn nun wirklich ein junger Mann die Stromschiene in verantwortungsloser und natürlich verbotener Weise berühren muss, so kann man nur froh sein, dass er das überlebt hat.

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