"Science-Fiction wird Realität": Bayerns Milliarden für Hightech
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Minister Blume im Landtag

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"Science-Fiction wird Realität": Bayerns Milliarden für Hightech

Bayern greift für seine Hightech-Agenda noch tiefer in die Tasche: Zur bisherigen Summe von 3,5 Milliarden Euro kämen bis 2027 zwei weitere dazu, sagte Wissenschaftsminister Blume in einer Regierungserklärung. Aus der Opposition kommt viel Kritik.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Als früherer CSU-Generalsekretär weiß Markus Blume nur zu gut, welche Themen sich der Öffentlichkeit gut vermitteln und in Slogans packen lassen. Die Hightech-Agenda Bayern eignet sich für Wahlkampfzwecke so gut wie der Text einer zweibändigen Doktorarbeit für eine kurzweilige Bierzeltrede. Im Herbst 2019 hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das neue Milliarden-Programm für Wissenschaft und Forschung ins Leben gerufen, ein halbes Jahr vor der Landtagswahl überlässt er es nun Blume, das komplexe Thema im Landtag möglichst anschaulich zu vermitteln.

Und der Wissenschaftsminister bemüht sich in seiner ersten Regierungserklärung merklich, für die bayerische Hightech-Agenda griffige Schlagworte zu finden: Sie sei "Beginn einer neuen Ära", eine Talentschmiede, Wohlstandsgarant, Bayerns technologische Unabhängigkeitserklärung und eine "Innovationsmaschine". Im Freistaat herrsche Start-up-Geist, "in Bayern wird aus Science-Fiction Realität". Der Freistaat sei damit Deutschlands Aushängeschild - während die Bundesregierung "mehr mit Kiffen als mit KI beschäftigt" sei.

Zwei weitere Milliarden für Verlängerung bis 2027

Blume lobt die Hightech-Agenda als "international einzigartig": Dank eines Investitionsvolumens von 3,5 Milliarden Euro entstünden 13.000 neue Studienplätze, 1.000 neue Professuren sowie 1.500 weitere wissenschaftliche Stellen. Um die Finanzierung dieser insgesamt 2.500 Stellen auch über das Jahr 2024 hinaus zu sichern, stelle der Freistaat bis 2027 weitere zwei Milliarden Euro zur Verfügung, kündigt der CSU-Politiker in seiner Regierungserklärung an. Damit werden die Hightech-Agenda Bayern "verstetigt".

Dank des Milliarden-Programms kommen Blume zufolge "die besten Köpfe" in den Freistaat. 62,4 Prozent der neuen Professoren-Stellen seien schon besetzt, bei 21,1 Prozent laufe das Verfahren. Mehr als die Hälfte der neuen Professorinnen und Professoren seien zuvor außerhalb Bayerns tätig gewesen, mehr als jeder Fünfte sogar außerhalb Deutschlands. Auch viele Studentinnen und Studenten kämen aus dem Ausland, um im Freistaat zu studieren. "Die Hightech-Agenda Bayern ist eine Einladung an die Welt und sie wird angenommen. Bei uns lockt nicht der Sozialstaat sondern der Fortschrittsgeist." Der Minister verweist unter anderem auf Bayerns KI-Offensive und die Errichtung der größten Luft- und Raumfahrtfakultät in Europa.

Blume: Gesamter Freistaat profitiert

Dabei profitiert laut Blume der ganze Freistaat von der Hightech-Agenda. Noch nie habe es in Bayern so viele Hochschul-Standorte gegeben - mit 84 seien es mehr als Landkreise. Zuletzt seien Garmisch-Partenkirchen, Rosenheim, Kulmbach und Dingolfing hinzugekommen.

Bis zum Ende der Legislaturperiode werde es bayernweit insgesamt 46 Technologietransferzentren geben, erläutert der Minister und gibt die neuen Standorte bekannt: Leipheim und Aichach für Nordschwaben, Schwandorf für die nördliche Oberpfalz, Kronach und Lichtenfels für Oberfranken sowie Neustadt an der Aisch und Stein im Landkreis Fürth für Mittelfranken. Dies sei ein klares Technologiebekenntnis "für alle Regionen Bayerns und insbesondere für den ländlichen Raum", sagt der CSU-Politiker.

Kernfusion und Roboter der Zukunft

Als wichtige Zukunftsprojekte nennt der Minister die Forschung zur laserinduzierten Kernfusion, die "Mission Quantenrechner" und die Entwicklung des "Roboters der Zukunft". Zugleich hofft Blume auf eine weitere Exzellenzuniversität in Bayern, zusätzlich zu den beiden bestehenden in München. "Wir wollen zusätzlich eine Exzellenzuniversität für Nordbayern", betont der Minister. "Die fränkischen Universitäten haben dank der Hightech Agenda eine herausragende Ausgangslage."

Hier hat die Hightech-Agenda bisher noch nicht die erhofften Fortschritte gebracht: Schon 2019 hatte Söder beklagt, dass Bayern nur zwei Exzellenzuniversitäten habe, es brauche mehr - zum Beispiel in Franken und Ostbayern.

Grüne: "Ein Schlagwort nach dem anderen"

Die Grünen zeigen sich von Blumes Rede nicht überzeugt: "Mit einem Schlagwort nach dem anderen baut man nicht den Wissenschaftsstandard der Zukunft", sagt Fraktionschefin Katharina Schulze. Es nutze nichts, viel Geld auszugeben, wenn die Infrastruktur nicht stimme. Dem Minister wirft Schulze vor, mit der Agenda den Fortschritt auf technische Innovation zu reduzieren: "Geistes- und Sozialwissenschaften auszusparen, kann sich eine Wissensgesellschaft wie unsere nicht leisten." Auch die Klimaforschung komme zu kurz.

Die Grünen-Fraktionschefin kritisiert die aus ihrer Sicht mangelhafte Infrastruktur. Es gebe einen Innovationsstau von sieben Milliarden Euro bei Hochschulgebäuden, die Arbeitsbedingungen im wissenschaftlichen "Mittelbau" seien prekär. Die Bildungspolitik habe Auswirkungen auf den Wissenschaftsstandort Bayern. Im Freistaat entscheide noch immer das Elternhaus über den Bildungsweg. "Wir können es uns nicht leisten, Potential an klugen Köpfen zu verschenken."

Als Schulze die bayerische Energiepolitik für neue Technologien kritisiert, gibt es laute Zwischenrufe aus den Reihen der Regierungsfraktionen. "Wenn wir es nicht schaffen neue Windräder und erneuerbare Energien für grünen Wasserstoff bereitzustellen, funktioniert Ihr ganzes System nicht", mahnt die Grünen-Politikerin. Statt Wind- und Sonnenenergie konsequent auszubauen und das nötige CO2 jetzt einzusparen, halte sich die Regierung nun an der Kernfusion fest. "Alle Wissenschaft sagt, das ist in den nächsten Jahren noch nicht für die Anwendung bereit."

AfD: Ein digitales Entwicklungsland

Blume habe im Landtag "reichlich süßen Wein aufgetischt", sagt AfD-Fraktionschef Ulrich Singer. In der Realität müsse man im Hightechland Bayern vielerorts froh sein, wenn man überhaupt Internet habe, "mit dem man störungsfrei an einer Videokonferenz teilzunehmen kann". In 18 europäischen Ländern gebe es besseres Internet. Der Freistaat sei ein "digitales Entwicklungsland".

Für viele Studenten gehörten außerdem Baumängel an den Hochschulen zum Alltag. "Die Investitionen in der Hightech-Agenda sind im wesentlichen Leuchtturmprojekte", beklagt Singer. Diese könnten nicht über den massiven baulichen Verfall hinwegtäuschen.

SPD: Kein ganzheitliches Konzept

Der SPD-Sprecher für Wissenschaft, Christian Flisek, bemängelt, die Staatsregierung nutze das Instrument der Regierungserklärung, um den Landtagswahlkampf von der Regierungsbank ins Parlament zu tragen. Statt etwas Neues anzukündigen, habe Blume heute lediglich eine Zwischenbilanz der Hightech-Agenda gezogen. Offensichtlich sei die Staatsregierung mit der Rezeption des Programms in der Öffentlichkeit nicht zufrieden.

Flisek warnt, die Hightech-Agenda werde die Zentralisierung der Forschungslandschaft weiter verschärfen. "Das große Geld fließt weiter in die Metropolregionen München und Nürnberg." Bayern wolle sich mit den Großen messen - das dürfe aber nicht zu Lasten der Hochschulen im ländlichen Raum gehen. Der Agenda fehle insgesamt ein ganzheitliches Konzept. Es sei eine Aufzählung von Einzelobjekten.

FDP: Millionen verpuffen

Auch nach Meinung des wissenschaftspolitischen Sprechers der FDP-Fraktion, Wolfgang Heubisch, stand Blumes Rede im Zeichen des Landtagswahlkampfs. Er wirft der Staatsregierung vor, dass die Umsetzung der Agenda "erhebliche Mängel" aufweise. Durch den schleppenden Abruf der Mittel verpufften angesichts der Inflation Millionen. Was Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) durch Unfähigkeit verschleudert habe, setze die Staatsregierung durch Untätigkeit in den Sand.

Ein großes Problem sind laut Heubisch fehlende Wohnraumplätze für Studentinnen und Studenten - allein in München fehlten 15.000. "Das ist eine Katastrophe." Ohne Wohnraum könnten hochtalentierte Studenten nicht in München studieren. Die Staatsregierung kündige nur an und warte ab: "Backen aufblasen und dann nicht abliefern, das ist die Methode Staatsregierung", kritisierte der ehemalige Wissenschaftsminister.

Freie Wähler: "Vorbildliches geleistet"

"Kleinkariert" sei die Art, mit der die Opposition nach Fehlern suche, entgegnet Hubert Faltermeier, Sprecher der Freien Wähler für Hochschulen und Wissenschaft. Das Programm des Wissenschaftsministeriums rage "national und international heraus". Der technische Fortschritt biete Chancen für Arbeitsplätze und Wertschöpfung.

Laut Faltermeier geht es jedoch um mehr - um gesamtgesellschaftliche Fragen wie Mobilität, Klima, Energie und Digitalisierung. "Es ist klar, dass eine kraftvolle Förderung bei Schlüsseltechnologien zwingend notwendig ist, damit wir Bayern lebenswert und konkurrenzfähig halten." Mit der Hightech-Agenda habe die Staatsregierung seit 2019 Vorbildliches geleistet.

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