Sieht sich mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert: Heinz-Peter Meidinger
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Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes

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Rassistisch geäußert? Lehrer-Präsident wehrt sich gegen Kritik

Das "N-Wort" und der "Judenstern": Der Eklat um Boris Palmer hat die Frankfurter Migrationskonferenz überschattet. Auch Lehrerpräsident Meidinger wird für seinen Auftritt dort kritisiert. Gegenüber BR24 hat er jetzt dazu Stellung genommen.

Antworten finden auf die drängenden Probleme der Einwanderungspolitik: Darum sollte es eigentlich gehen auf der Migrationskonferenz Ende April in Frankfurt am Main - unter dem Motto "Migration steuern, Pluralität gestalten". In Erinnerung dürfte aber vor allem der Eklat um Boris Palmer bleiben, Palmers verbale Entgleisungen und schließlich seine Auszeit als Tübinger Oberbürgermeister und sein Austritt aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Palmer hat Konsequenzen gezogen aus dem Eklat, für den er am Rande der Konferenz gesorgt hatte.

Rassismus-Vorwürfe auch gegen Lehrerpräsident Meidinger

Gleiches, nämlich Konsequenzen, fordern viele jetzt auch von Heinz-Peter Meidinger, dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes. Auch er sieht sich seit seinem Auftritt in Frankfurt mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert. In einer "taz"-Kolumne etwa heißt es, die Liste der Redner auf der Konferenz lese sich wie ein "Who's who der Rechten" - unter ihnen Meidinger aus dem Landkreis Rottal-Inn, "der Leistung nach Herkunft beurteilt und Migrantenquoten für Schulen fordert".

Kritik am Lehrerpräsidenten hagelt es auch auf Twitter: Der Linken-Politiker Luigi Pantisano schreibt, Meidinger habe in Frankfurt mit wenigen Sätzen erklärt, dass Kinder mit Migrationshintergrund dumm seien - aufgrund ihrer "Fremdheit".

Ähnlich äußert sich die Lehrerin Bahar Aslan auf Twitter: "Hallo Herr #Meidinger, hier ist eine "fremde Lehrerin", die diese "fremden Kinder" unterrichtet. Ich konnte feststellen, dass nicht die "Fremdheit", sondern #Rassismus und #Klassismus die Gründe für die Bildungsbenachteiligung sind."

Meidinger spricht von "systematischer Hetze"

Der Lehrerpräsident wiederum sieht in derlei Anschuldigungen vor allem "systematische Hetze". Gegenüber BR24 betonte Meidinger: "Das Problem ist, dass durch die unsäglichen Äußerungen von Boris Palmer vor dem Gebäude jetzt eine Kampagne auch gegen alle anderen Teilnehmer der Frankfurter Migrationskonferenz ausgelöst worden ist, was ich sehr schade finde, weil die Beiträge dort sehr vielfältig und die Diskussion dort sehr differenziert war."

Mit Rassismus hätten seine Aussagen gar nichts zu tun, so Meidinger. Vielmehr wende er sich vehement dagegen, "allein schon die Thematisierung von Lerndefiziten bei Migrantenkindern als diskriminierend oder gar rassistisch einzuordnen". Damit würden nämlich auch die Wege zur Problemlösung verstellt.

"Aus dem Zusammenhang gerissene Antwortfetzen"

Der Videoausschnitt, der im Netz zirkuliert, umfasse "aus dem Zusammenhang gerissene Antwortfetzen", betont Meidinger. Seine Antwort auf eine Frage aus dem Publikum könne "ohne Kenntnis der wissenschaftlichen Diskussion und der Zusammenhänge" gar nicht richtig eingeordnet werden. Und Vorwürfe, er halte Migrantenkinder für dümmer, seien nicht gerechtfertigt.

Dabei bezieht sich Meidinger auch auf seine Aussage zu den "kognitiven Fähigkeiten" von Kindern mit Migrationsgeschichte: "Kognitive Grundfähigkeiten meinen Vorwissen und haben nichts mit Intelligenz oder Dummheit zu tun."

Anmerkung der Redaktion: In der Wissenschaft gibt es verschiedene Definitionen, wie kognitive Fähigkeiten und Intelligenz zusammenhängen. Manche passen zu Meidingers Aussage, dass kognitive Fähigkeiten Erlerntes meinen, andere zählen kognitive Fähigkeiten allerdings auch als Teil der Intelligenz.

"Ballung von Nachteilen" bei Kindern mit Migrationshintergrund

Ausgangspunkt seines Referats in Frankfurt sei eine Grundschulstudie vom vergangenen Jahr gewesen, "die aufdeckte, dass Kinder aus Zuwanderungsfamilien bis zu zwei Lernjahre hinter dem Durchschnitt hinterherhinken - und das wohlgemerkt bei Viertklässlern". Er halte es für einen Skandal, dass diese Studie in der Politik keinen großen Widerhall gefunden habe.

Deshalb habe er sich in seinem Vortrag auch gegen Forderungen gewandt, das Merkmal "Zuwanderungshintergrund" in Studien nicht mehr aufzuführen. Das wäre "grundfalsch", findet Meidinger. Denn aus seiner Sicht gilt es, die "Ballung von Nachteilen bei Kindern mit Migrationshintergrund" im Blick zu behalten - und die Probleme entsprechend anzugehen.

Meidinger: "Schonungslose Bestandsaufnahme ohne Tabus"

Als Lösungsvorschläge habe er in Frankfurt unter anderem eine "ehrliche und schonungslose Bestandsaufnahme ohne Tabus" genannt, außerdem eine "umfassende vorschulische Förderung", die bei Kindern mit Sprachdefiziten verpflichtend sein müsse.

Nebenbei habe er erwähnt, so Meidinger, dass es bei der "türkischen Migrationsgruppe" für Leistungsrückstände auch noch "einen offenen Erklärungsrest" gebe - abgesehen von Faktoren wie sozioökonomische Lage, Sprache oder geringeres Vorwissen. Dabei habe er auf eine Studie verwiesen, wonach "Fremdheit gegenüber dem deutschen Bildungssystem" eine Rolle spielen könne. Als weiteren Lösungsvorschlag formuliert der Lehrerpräsident dementsprechend: "Bewusstsein schaffen für Bildung als Schlüssel für sozialen Aufstieg und Lebenschancen".

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