Außenansicht des Schloß Nymphenburg in München, aufgenommen am 04.03.23.
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Außenansicht des Schlosses Nymphenburg in München, aufgenommen durch eine Brückenverzierung am 04.03.23.

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Die Wittelsbacher und ihre heutige Rolle: "Ehrgeiz für Bayern"

Die Hochzeit von Ludwig Prinz von Bayern und Sophie-Alexandra Evekink interessiert viele Menschen, obwohl die Monarchie in Bayern lange vorbei ist. Welche Rolle spielen die Wittelsbacher heute noch? Und was hat es mit dem "Ausgleichsfonds" auf sich?

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

In der Nacht zum 8. November 1918, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, erklärte der Sozialist Kurt Eisner das bayerische Königshaus für abgesetzt und rief den Freistaat Bayern aus. Im Februar 1919 wurde Eisner ermordet – und auch die nach seinem Tod entstandenen Räterepubliken waren nur von kurzer Dauer. Doch das Aus für die Monarchie in Bayern nach über 100 Jahren Königreich war endgültig.

Trotzdem zieht die Hochzeit von Sophie-Alexandra Evekink und Prinz Ludwig von Bayern, dem 40-jährigen Ururenkel des letzten Bayern-Königs Ludwig III., an diesem Samstag viele Menschen in ihren Bann. Wie positionieren sich die Wittelsbacher heute? Was passierte mit ihrem Reichtum? Und von wem gibt es Kritik am Verhältnis von Freistaat und Ex-Königshaus? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche gesellschaftliche Rolle wollen die Wittelsbacher spielen?

"Man versteht sich als wichtigen Faktor im gesellschaftlichen Leben Bayerns", sagt die Historikerin Marita Krauss auf BR24-Anfrage über das Selbstverständnis der Wittelsbacher. Krauss, emeritierte Professorin an der Uni Augsburg, hat gerade gemeinsam mit Wittelsbacher-Oberhaupt Herzog Franz von Bayern das Buch "Zuschauer in der ersten Reihe" verfasst, seine Lebenserinnerungen. "Bei den Interviews dafür habe ich immer wieder gemerkt: Sein Ehrgeiz ist ein Ehrgeiz für Bayern", betont Krauss – das gelte etwa für Kunst und Wissenschaft.

Entsprechend nimmt an bestimmten Veranstaltungen, beispielsweise im jüdischen Kulturzentrum oder bei der Eröffnung von Museen, immer ein "Vertreter des Hauses" teil. Zudem bat man den mittlerweile 89-jährigen Herzog Franz in diverse Gremien. Generell sei dem Oberhaupt der früheren Herrscherfamilie wichtig, "dass Bayern eine eigene Stimme behält".

Wünschen sich manche Wittelsbacher die Monarchie zurück?

"Meinem Eindruck nach gibt es solche Wünsche nicht", sagt Historikerin Krauss. "Der Vater des jetzigen Herzogs Franz, Albrecht von Bayern, hat nicht umsonst den Titel Kronprinz nicht übernommen." Die Bezeichnung Kronprinz hätte laut Krauss eine gewisse Anspruchshaltung bedeutet. "Der Verzicht auf diesen Titel war ein deutliches Signal, wo man sich selbst sieht."

Unmittelbar nach dem Ende der Monarchie 1918 oder auch nach dem Zweiten Weltkrieg sei das dagegen anders gewesen. "Da gab es durchaus noch Monarchisten, sowohl bei den Wittelsbachern als auch in der Bevölkerung, die zumindest von einer parlamentarischen Monarchie in Bayern träumten", erläutert Krauss. "Das wäre dann ein Modell wie in Großbritannien gewesen: eine Demokratie mit monarchischer Spitze." Solchen Überlegungen hätten die Alliierten aber nach 1945 endgültig einen Riegel vorgeschoben.

Was hat es mit dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds auf sich?

Das Adelsgeschlecht der Wittelsbacher regierte gut sieben Jahrhunderte lang in Bayern – 1806 wurde Bayern Königreich. Im Zuge von Reformen Anfang des 19. Jahrhunderts brachte König Max I. Wälder, Hofgüter, Immobilien und Kunstsammlungen in den Staat ein, um die Finanzen zu stabilisieren. Dafür erhielten die Könige Geld aus der "Zivilliste" für die Repräsentation.

Nachdem die Wittelsbacher 1918 ihre Macht verloren hatten, war unklar, wie es weitergehen sollte. Zunächst stellte die neue Regierung alle Zahlungen an die frühere Königsfamilie ein. Daraufhin wollten die Wittelsbacher eine Entschädigung – zu Recht, wie das bayerische Finanzministerium bis heute betont: "Nach Prüfung der Rechtslage kam man zu dem Schluss, dass die Ansprüche des Hauses Wittelsbach auch nach 1918 fortbestünden."

1923 wurden als Kompromiss zwei Stiftungen öffentlichen Rechts gegründet: der Wittelsbacher Ausgleichsfonds sowie die Wittelsbacher Landesstiftung für Kunst und Wissenschaft. Rund 15 Millionen Euro schüttete der Ausgleichsfonds für das Geschäftsjahr 2021 an die Familie der Wittelsbacher aus. "Dieser Fonds wirtschaftet, nimmt Mieten ein, verkauft oder kauft Grundstücke", erläutert Historikerin Krauss. "Das verwalten hochkarätige Leute, die wissen, wie man Geld anlegt." Aus dem eingenommenen Geld würden die Wittelsbacher ihr Leben finanzieren. "Seit 1923 hat der Staat kein Geld mehr an die Wittelsbacher bezahlt."

Wie wurde der Besitz zwischen Freistaat und Wittelsbachern aufgeteilt?

Seit dem Kompromiss vor 100 Jahren gehören dem Freistaat unter anderem die Münchner Residenz samt Hofgarten, die Schlösser Nymphenburg und Schleißheim sowie die Schlösser Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Linderhof. Zum Ausgleichsfonds zählen Immobilien, land- und forstwirtschaftlicher Grundbesitz sowie die Schlösser Hohenschwangau, Berchtesgaden und Grünau. In Museen und Sammlungen des Freistaats wie den Pinakotheken befinden sich rund 43.000 Kulturgüter aus dem Besitz des Fonds, weitere 13.500 verwahrt die Stiftung selbst.

Die Mitglieder der früheren Königsfamilie haben Wohnrecht im Nymphenburger Schloss (wo Herzog Franz einen Seitenflügel bewohnt), im Würzburger Residenzschloss und im Alten Schloss auf Herrenchiemsee. Sie dürfen die Gruft der Theatinerkirche und der Michaelskirche in München benutzen, zudem sind ihnen Fischerei- und Jagdrechte garantiert.

Welche Kritik gibt es an dem bayerischen Modell?

Der bayerische Grünen-Fraktionschef heißt zwar auch Ludwig mit Vornamen, hält aber vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds überhaupt nichts. Ludwig Hartmann sagte zuletzt im März: "Der Ausgleichsfonds ist ein Privileg, das nicht mehr zeitgemäß ist." Es gebe in der heutigen Zeit keinen Grund mehr "für diesen bayerischen Sonderweg".

Aktuell will Hartmann seine Kritik auf BR24-Anfrage aber nicht erneuern. "Zum Thema Ausgleichsfonds habe ich mich an anderer Stelle sehr klar positioniert", teilt der Grünen-Politiker mit. Mit Blick auf die anstehende Hochzeit erklärt er: "An einem persönlichen Freudentag sollte doch jetzt das Brautpaar im Vordergrund stehen." Dem Brautpaar wünsche er nur das Beste für diesen Weg. "Die Karte, die meine Kinder den beiden gebastelt haben, ist schon unterwegs."

Und wer lobt die Regelung in Bayern?

Der Historiker und Leiter des Wittelsbacher Hausarchivs im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Gerhard Immler, bezeichnete den Ausgleichsfonds schon vor Jahren als geglückten historischen Vertrag. Es sei damit gelungen, eine Zersplitterung des Vermögens zu verhindern und Kunstgegenstände dauerhaft für die Öffentlichkeit zu erhalten. So sei beispielsweise ausgeschlossen, Bilder aus der Neuen Pinakothek zu verkaufen, nur um das Einkommen von Familienangehörigen zu steigern. Auch der Ausgleichsfonds selbst betont, dass mit den Kunstwerken einer der Grundsteine für den Freistaat Bayern als Kulturstandort gelegt worden sei.

Das bayerische Finanzministerium sieht ebenfalls keinen Handlungsbedarf. Es bestehe nach Auffassung der Staatsregierung keine Veranlassung, den einst nach jahrelangen Verhandlungen gefundenen Kompromiss historisch-juristisch anzuzweifeln.

Ähnlich sieht das Historikerin Marita Krauss. "Ich finde, das ist in Bayern gut gelöst", sagt sie. Die Kritik der Grünen kann Krauss nicht nachvollziehen: "Meiner Meinung nach gibt es keinen Handlungsbedarf. Im Kunstbereich winken da sowieso alle gleich ab. Dann würden nämlich die Rechte an den Kunstwerken wieder aufleben – und der Staat müsste den Wittelsbachern unschätzbare Kulturgüter abkaufen, wenn er sie behalten möchte."

20.05.2023, Bayern, München: Ludwig Prinz von Bayern und seine Frau Sophie-Alexandra Prinzessin von Bayern stehen nach ihrer kirchlichen Hochzeit mit Blumenkindern und Pagen vor der Theatinerkirche. Zu den Feierlichkeiten werden rund 1000 Gäste erwartet. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Wittelsbacher-Hochzeit in München

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