AfD-Stadtrat aus Reutlingen, Hansjörg Schrade, ist zu einer Geldstrafe von 5.500 Euro verurteilt worden. Der Vorwurf lautet Volksverhetzung. (Foto: SWR)

5.500 Euro Geldstrafe

Amtsgericht Reutlingen: AfD-Stadtrat wegen Volksverhetzung verurteilt

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Theresa Krampfl
Theresa Krampfl (Foto: SWR, Patricia Neligan)

Der Reutlinger Stadtrat Hansjörg Schrade (AfD) ist am Montagnachmittag vom Amtsgericht Reutlingen zu einer Geldstrafe von 5.500 Euro verurteilt worden. Vorwurf: Volksverhetzung.

Das Amtsgericht Reutlingen hat den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, nämlich Volksverhetzung, beim Prozess am Montagnachmittag bestätigt. Der Reutlinger AfD-Stadtrat Hansjörg Schrade habe durch das Weiterverbreiten volksverhetzender Inhalte dazu beigetragen, dass der Massenmord an den Juden während des Zweiten Weltkriegs verharmlost wird, so die Richterin. Der Sitzungssaal des Amtsgerichts war voll besetzt. Fast 30 Zuschauende und Journalisten waren gekommen, einige Besucherinnen und Besucher darunter Unterstützer von Schrade.

AfD-Stadtrat Schrade aus Reutlingen teilt volksverhetzende Inhalte

Es ging darum, dass der 65-jährige Schrade vor zwei Jahren einen Brief auf seinem Telegram-Kanal geteilt hatte. In dem Brief schreibt ein Reutlinger Polizist an einen Richter und vergleicht den Völkermord an den Juden mit dem Umgang mit ungeimpften Menschen während der Corona-Pandemie. Der Polizist berichtet von seinem Arbeitsalltag und beschreibt, wie Ungeimpfte dort behandelt wurden. Einmal habe eine Kollegin gefragt: "Was machen wir jetzt eigentlich mit Ungeimpften?" Der Polizist schlägt in seinem Brief vor: "Abholen lassen, ins Lager stecken und vergasen."

In dem Schreiben wurden weitere Aussagen getätigt, auf die sich Staatsanwalt sowie Richterin bezogen, wie "Ihr wärt gute Nazis geworden" oder "Hier werden 20 Millionen Menschen diskriminiert".

Staatsanwalt erklärt Tatbestand der Volksverhetzung

Laut Staatsanwalt Lukas Bleier müsse man beim Vorwurf Volksverhetzung genau hinsehen: Nicht jeder Nazivergleich erfülle den Tatbestand. Man dürfe also unter bestimmten Umständen sagen: "Das sind Zustände wie im Nationalsozialismus." Sobald man aber konkret mit dem Völkermord beziehungsweise der massenhaften Vernichtung von jüdischen Menschen vergleiche, sei der Tatbestand Volksverhetzung gegeben. Und das sei in dem Brief, den Hansjörg Schrade geteilt hat, gegeben.

Überlebende des Holocausts könnten das als Angriff auf ihre Würde auffassen.

Die Inhalte des Briefs überhöhten das eigene Opfergefühl und stellten es damit auf die gleiche Ebene der damaligen Verbrechen, so Bleier. Überlebende des Holocausts oder deren Nachfahren könnten das als Angriff auf ihre Würde auffassen. Bleier betonte, ungeimpfte Menschen würden durch die Aussagen aggressiv emotionalisiert. Mit solchen Inhalten bereite man den Boden für Pläne wie die der Entführung des Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), so Bleier. Bei dieser Aussage ging ein lautes Lachen durch die Zuschauerschaft. Eine Person aus der Ecke der Unterstützer von Schrade rief: "lächerlich". Viele hielten die Aussage des Staatsanwalts für überzogen.

Verteidigerin plädiert auf Freispruch

Die Verteidigerin Viktoria Dannenmaier stimmte zu, dass der Brief unangenehme Formulierungen beinhaltet. Trotzdem sei es Schrade nicht darum gegangen, die Taten zu verharmlosen. Schrade selbst sagte, er habe mit der Verbreitung darauf aufmerksam machen wollen, dass selbst Teile der Polizei wegen der Corona-Regeln verunsichert gewesen seien. Die Verteidigerin sieht die Meinungsfreiheit eingeschränkt, wenn man so etwas nicht mehr tun dürfe. Schrade stimmte zu und ergänzte, wenn er bei jeder Aussage überlegen müsse, ob sie ihn was kostet, könne er keine freie Meinung mehr äußern.

AfD-Stadtrat aus Reutlingen kann Urteil anfechten

Nach Auffassung der Richterin hätte Schrade die Corona-Maßnahmen auch ohne das Teilen dieses Briefs kritisieren können, so wie er das auch vor Gericht getan hat. Der Sinn und die Wirkung des Briefes sei Schrade klar gewesen, so die Richterin. Deshalb verurteilte sie ihn zu 50 Tagessätzen à 110 Euro, insgesamt also 5.500 Euro. Der AfD-Stadtrat hat nun eine Woche Zeit, gegen das Urteil vorzugehen. Er hat bereits am Dienstag angekündigt, dass er das machen wird.

Zu demselben Vorwurf wurde vergangene Woche ein 44-Jähriger zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 50 Euro, insgesamt also 1.500 Euro verurteilt.

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